CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)

Niemen - Mourner's rhapsody
(38:55, New Music / Green Tree, 1975)

Niemen trennte die Geister. Zum einen, weil er mal gute und dann wieder völlig seltsame Platten einspielte. Aber vor allem wegen seiner quälenden Stimme. Nicht allein der polnische Gesang mit den vielen Zisch-Lauten, sondern seine Stimme selbst brachte Diskussionen auf. Und dabei machte er fabelhafte Alben wie "Enigmatic", "N.AE. Idee Fixe" und etliche weitere. Mal sang er russische Volkslieder, dann spielte er Elektronik oder Jazz und zum Glück auch Heavy Progressive Rock. Die LPs wurden auf billigen Plattenspielern gedudelt ohne Ende. Czeslaw Niemen wurden 1939 in Weißrussland unter dem Wydrzycki geboren, Niemen war der Name des Flusses in seiner Heimat. Eine knappe Zusammenfassung seines musikalischen Werdegangs ist im Booklet der äußerst interessanten Produktion "Mourner's rhapsody" nachzulesen. Die englischsprachigen Alben kannte ich Südrüganer nicht. Später stellte sich die Existenz dieser LPs heraus und jetzt gibt es einige davon auf CD. Großer Dank an New Music / Green Tree! "Mourner's rhapsody" ist ein späteres Album von Niemen. 1975 auf CBS veröffentlicht, sind die Songs jetzt identisch verpackt digital remastert auf CD zu haben. Tatsächlich hatte Niemen, dessen frühere Band sich längst selbständig gemacht hatte und als SBB viele gute eigene Alben mit grandios langen Songs einspielte, sich mit fabelhaften Musikern zusammen getan, deren Namen für Qualität bürgten. Jan Hammer (dr), Dave Johnson (perc), Rick Laird (b), Michal Urbanski (vi), Steve Khan (g), John Abercrombie (g) und weitere Musiker und Sängerinnen waren die perfekte Besetzung an den Instrumenten. Die sämtlichst von Czeslaw Niemen (und Norman Simon) komponierten und arrangierten Songs waren begnadeter Stilmix aus Jazzrock und Progressive Rock. Die vielschichtigen Harmonien, spannend-dramatischen Entwicklungen, komplexen Verschachtelungen, agogischen Höhepunkte und der grandios harte Gesang von Niemen machen die 6 Songs ungemein interessant. Die ersten 5 Songs sind jeweils um die 5 Minuten lang, und rocken vital ab. Da gibt es keine langatmigen Parts, sondern nur volles Brett und göttliche Musik zum Versinken. Höhepunkt ist der Titeltrack, eine Neueinspielung des bereits 1971 auf "Enigmatic" enthaltenen "Rapsod". Knapp 15 Minuten lang, ist der Longtrack völlig neu arrangiert und kompositorisch stark variiert worden. Der beeindruckende Chorgesang, der an den Gesang orthodoxer Mönche erinnert, läuft eiskalt den Rücken herunter und überzieht die Arme mit Gänsehaut. Das ist verdammt stark! Im Booklet der CD ist nachzulesen, dass Green Tree bereits 10 (!) CDs von Niemen veröffentlicht haben. Die meisten mit polnischen Namen, was mir erst einmal nichts sagt. Aber daneben Alben wie "Ode to Venus" und "Strange is this world", die genauso wie "Mourner's rhapsody" grandioser Progressive Rock und absolut zu empfehlen sind.

Volkmar Mantei



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