CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)

Marry Ann - Intolerance
(46:39, Privatpressung, 1996)
Marry Ann - The harmony of the ecstasy
(40:01, Privatpressung, 2005)

Zwei Promoalben mit sehr ähnlich gestalteten Covern erreichten mich kürzlich. Zunächst ist unklar, wer sich hinter dem Pseudonym MarryAnn versteckt. Eine Band ist dies offensichtlich nicht, denn die Musik auf beiden Alben klingt absolut typisch für ein 1-Mann-Projekt. Oder 1-Frau-Projekt. Zwar könnte man jetzt eine Tastenfrau vermuten, doch den Beschreibungen auf der eigenen Homepage (www.marryann.com) ist zu entnehmen, dass es sich wohl um einen männlichen Keyboarder handelt (vorausgesetzt, ich falle nicht auf falschen Gebrauch von Personalpronomen herein). Eindeutiger ist jedoch die Herkunft, denn MarryAnn stammt aus Slowenien, also einem Land, das im PNL eher selten Erwähnung findet. MarryAnn beschreibt seine Musik als progressive Elektronik. Die Formulierung "progressive" halte ich allerdings für ausgesprochen optimistisch, denn unter progressiv verstehe ich etwas anderes, und das dürfte den meisten Lesern des PNL ebenso ergehen. Inspiriert von 70er und 80er Synthesizer-Musik, beschränkt sich MarryAnn auf kurze, knappe Kompositionen. Die Streuung der Spielzeiten ist auf beiden Alben extrem gering, alles pendelt zwischen 3 und 5 Minuten. Also sind keine ausgedehnten Sequenzen oder groß angelegte Klangkaskaden zu erwarten. Vielmehr ist die Darstellung sehr knapp gehalten. Fast jeder Titel ist sehr harmonisch angelegt, und schöne Melodien ist der größte Pluspunkt, den MarryAnn für sich verbuchen kann. Der Sound ist sehr warm und strahlt einen positiven Grundton aus. Allerdings hätte ich mir durchaus weiter angelegte Kompositionen mit variablerem Instrumentarium gewünscht, denn so wirkt das Ganze auf Dauer zu vorhersehbar, zumal auch zu wenig Abwechslung geboten wird. Negativ fällt desweiteren der bisweilen etwas platte Gebrauch programmierter Drums auf. Die vorliegende Musik fällt in etwa in die gleiche Kategorie wie das kürzlich besprochene Just Offshore-Album. Melodiebetonte Musik, am Synthesizer eingespielt, die für manch einen zu seicht und eventuell auch zu kitschig klingen mag. Um mich rundum überzeugen zu können, hätte das Ganze etwas spannender ausfallen müssen. Aber gute Ansätze sind immerhin vorhanden - darauf lässt sich aufbauen. Auf der o.g. Homepage lassen sich übrigens auch Hörproben herunterladen.

Jürgen Meurer



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