CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Shingetsu - Live (25.-26.July 1979, ABC Kaikan Hall Tokyo)
(67:27, Musea, 1979)

Wieder mal wurde kräftig in den Archiven gegraben und dieses mal ein Kleinod der japanischen Szene ausgegraben. Shingetsu waren nicht nur bekannt für ihre aufwendige Bühnenshow (einen Eindruck davon bekommt man auf den schwarz-weiß Fotos des Booklets), sondern sie gehörten zudem zu den prägenden Bands in ihrer Heimat. Dummerweise vermittelt diese Liveaufnahme von 1979 nur zum Teil die Bedeutung, die Shingetsu in den 70ern in Fernost übernahmen. Neben der fehlenden optischen Komponente, schmerzt vor allem der Gesamtsound, der leider zu drucklos, hier und da etwas rumpelig übersteuert, einfach ohne die richtige Brillanz herüberkommt, wobei diese Aufnahmen ursprünglich wahrscheinlich nicht unbedingt für eine offizielle Veröffentlichung vorgesehen waren. Doch das Graben in klanglichen Fugen und unter der Oberfläche lohnt sich, denn die Musik von Shingetsu ist geprägt von sinfonischen, verschachtelten Elementen. Keyboards (u.a. Mellotron und verstaubt-wunderbare Synthiesounds) und Gitarre lösen sich in der Führungsrolle in den ausgiebigen Instrumentalparts ab. Der Gesang ist komplett in japanisch, wobei Frontmann Makoto Kitayama etwas pathetisch übertrieben schmettert, für japanische Verhältnisse insgesamt aber eine solide Leistung abliefert. Hin und wieder verirren sich in seinen Gesang, sowie in den Arrangements aber auch ein paar schräge Töne, wobei man natürlich nie weiß, ob dies einfach auch auf die etwas andere Harmonielehre in Japan zurückzuführen ist. Egal, etwas exotisch eben für europäische Ohren. Musikalisch könnte man Shingetsu über weite Strecken grob als Vorgänger der ersten Neo Prog Welle Anfang der 80er bezeichnen und dies wirklich ohne abwertenden Seitenhiebe. Die 70er schimmern zwar noch eindeutig in Seele und Instrumentierung durch, doch sind die Arrangements eine Spur weicher, gefälliger, es fehlt bisweilen an den rechten Ecken und Kanten, zum Teil verirren sich auch einige butterweiche Harmoniefolgen bzw. punkig trotzige Attitüde in die meist ausladend angelegten Songs. Der oftmals angeführte Genesis Vergleich passt nur in Ansätzen (in einigen Takten bzw. Passagen gelingt wirklich das Aufleben des Vorbildes, vor allem, wenn die Gitarre jubiliert oder das Mellotron salbungsvoll anschwillt), über weite Strecken gelingt dem Fünfer dennoch der Weg in die eigene Identität. Besonders mit dem fast 20-minütigen, recht komplexen "Reddish eyes on mirror" ist den Japanern ein echter Klassiker gelungen. So ist dieses Livealbum eine interessante Geschichtsstunde, auch wenn es nur zum Teil gelingt, die Magie dieser Band im Livegewand aufleben zu lassen kann und auch die inhaltliche Qualität auf gesamte Laufzeit nicht immer den Standard anderer Bands zu jener Zeit erreicht bzw. in die Sparte der essentiellen Scheiben der 70ern einzuordnen ist. Richtig gut ist dieses Album aber allemal

Kristian Selm



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