CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Seismic Cry - The hopeless flare
(50:19, Open Sea Music, 2004)

Liest man etwas von der Verschmelzung von Progressive Rock, Kunst und klassischer Musik, dann formt sich im imaginären Ohr eine ungefähre Vorstellung, wie sich wohl die so umschriebene Musik anhören könnte. Doch bei Seismic Cry wird man mit etwas ganz anderem überrascht, ohne dass die grobe Umschreibung jetzt unbedingt falsch liegt. Das Projekt des kanadischen Komponisten und Songschreibers Philippe Gaudet vereint auf sehr ungewöhnliche Weise die unterschiedlichsten Einflüssen, um daraus ein spannendes Hörspiel entstehen zu lassen. So beginnt z.B. das Album mit rein gesprochenen Worten in französisch, bevor sich in minimalistischer Weise ein Rhythmus und Gitarrenakkorde zu einer spannenden Interaktion zusammenfinden, klassisch anmutende Einfälle, sowie Gitarrengeschrammel die Dynamik langsam ansteigen lassen. Bereits hier umschleicht einen vom Ansatz her die Erinnerung an Mike Oldfields Frühwerke, wobei sich dieser Vergleich im späteren Verlauf des Albums mehrfach in der Art des Komponierens, sowie im gefühlvoll schwirrenden Gitarrenspiel wiederfindet. Doch jeder der neun Songs dieses Albums überrascht einen von neuem, denn neben dem Progressive Rock Gedanken, der auch zuweilen leicht crimsoneske Züge annimmt, findet sich ebenfalls klangliche Orientierungen an die heutige Zeit, wird mit Samples und mehr zeitgenössischen Sounds gearbeitet. Mal darf sich die Atmosphäre ganz langsam aufbauen, in der immer wieder gesprochene Texte, Chorpassagen oder auch brummelnder Gesang mit tiefer Bass-Stimme auftauchen, mal geht es hinüber in simple, aber nie belanglose, fast schon poppige Einfachheit, es entstehen dabei aber immer kunstvoll erdachte Kunstwerke, die weder auf schöne Harmonien, noch langsam anschwellende Instrumentalpassagen verzichten, jedoch vor allem von den behutsam aufgebauten Stimmungen leben. Doch leider verändert sich das so verheißungsvolle begonnene Album bei den letzten drei Titeln hin zu simplen, song-orientierten Rock / Pop Material, welches es keineswegs mit dem zuvor gehörten aufnehmen kann. Ein weiterer ungewöhnlicher Bruch, dieses mal jedoch nicht mit dem gewünschten Erfolg. Der letzte Satz des Pressezettels hatte aber dennoch nicht zu viel versprochen: "Der Hörer ist eingeladen sich zurückzulehnen und die Welt von Seismic City zu erforschen". "The hopless flare" ist wirklich ein interessantes, nicht alltägliches Album voll Überraschungen mit einem nicht unbedingt versöhnlichen Ende gelungen, beinhaltet aber eine selten in dieser Zusammenstellung gehörte stilistische Bandbreite.

Kristian Selm



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