CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Panna Fredda - Uno
(39:41, Vinyl Magic, 1970)

Germanwings sei Dank! In Zeiten, wo der einfache Flug von Köln nach Mailand schon zum CD-Preis zu haben ist, sind selbst so dekadente Gedanken wie ein Shopping-Tag in Mailand nix ungewöhnliches mehr. Also, etliche Espressi sowie einen Stapel CDs aus der goldenen Zeit des italienischen Progressive-Rocks reicher kehrte ich nach einem trüben Märzmittwoch aus Mailand wieder. Als Favorit im heimischen CD-Spieler stellte sich schnell die römische Band Panna Fredda ("Kalte Sahne") heraus. Und das, obwohl ihr bereits 1970 - also vor der großen Welle - erschienenes einziges Werk "Uno" eher an den britischen Prog der frühen 70er erinnert und hier v.a. an die Band Gracious. Von denen coverte man auch ziemlich dreist das Stück "Heaven", das den Mittelteil von "Un re senza reame" ("Ein König ohne Thron") bildet - natürlich ohne jeglichen Creditsverweis. Das Zusammenspiel von E-Gitarre und Orgel bildet die Basis für den schwerblütigen, etwas melancholisch-düsteren Heavy-Prog-Sound der Band. Das Songwriting fällt sehr abwechslungsreich und spannend aus, kein Song enttäuscht. Interessant und ungewöhnlich, dass die beiden Gitarristen sich die Aufgaben an den Drums teilen - dadurch ist der Schlagzeugstil sehr variabel, fast wie ein gleichberechtigtes Instrument. Ergänzt wird das übliche Instrumentarium durch den Gastmusiker Enzo Denna, dem späteren Mixer von Franco Battiato. Dieser steuert "Störgeräusche" in Form elektronischer Effekte bei, vergleichbar den Arbeiten von Pierre Henry auf "Ceremony" von Spooky Tooth, wenngleich nicht ganz so schlimm. Die Orientierung am britischen Prog wird einige Male durchbrochen, v.a. durch den melodramatischen, typisch italienischen Gesang und die klassischen Elemente. Letztere kommen etwa im gut 10minütigen "Il vento, la luna e pulcini blu" ("Der Wind, der Mond und die blauen Küken") mit extensivem Cembalo-Einsatz (ich liebe dieses Instrument!) gut zur Geltung. Und Humor haben Panna Fredda auch: im Track "Scacco al re lot" ("Schach dem König Lot") kommt die italienische Nationalhymne im Marschrhythmus vorbeigaloppiert. Aus dem Rahmen fallen nur die beiden Bonus-Tracks, bei denen es sich um A-und B-Seite der ersten Single handelt. Hier wird italienischer Pathos-Pop mit Satzgesang in bester New Trolls-Tradition geboten. Alles in allem eine der vielen tollen italienischen Eintagsfliegen der 70er, wie auch Maxophone, De De Lind, Hunka Munka usw.

Gerald Matuschek



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