CD Kritik Progressive Newsletter Nr.4 (09/95)

Collage - Nine songs of John Lennon
(45:10, Bonded By Sound, 1993)

Von Polens führenden Neo Proggern erschien in letzter Zeit gleich zwei Veröffentlichungen. Zuerst ein Coveralbum, und um damit gleich ein übles und altes Vorurteil zu bestätigen: die Polen klauen einfach alles, selbst vor Liedern von John Lennon wird nicht mal halt gemacht. Wer sich aber in der allgemeinen Musikszene umschaut, der wird feststellen, dass sich fünf von Collage in bester Gesellschaft befinden, da sie momentan nicht die Einzigen sind, die ein Album mit Coverversionen herausbringen (z.B. Annie Lennox, Jeff Healey, Fish) und zur Entschuldigung stammt ihre CD immerhin schon aus dem Jahr 1993. Trotzdem bleibt bei so einem Album ohne eigene Lieder immer ein fader Beigeschmack. Hatten sie einfach nicht genügend eigene Ideen oder wollten sie sich nur einen langersehnten Wunsch erfüllen, indem sie Lieder eines ihrer Idole covern? Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht alle auf der CD dargebotenen Stücke im Original kenne, mich also hauptsächlich mit den Liedern beschäftige, die mir bekannt sind. Gleich vorausschickend sei aber gesagt, dass Collage mit dieser Veröffentlichung ein wirklich sehr schönes Melodic Prog Album mit Hang zum Bombastischen abliefern, welches aber nicht ganz die musikalische Klasse ihres aktuellen Werkes "Moonshine" erreicht. Die neuen Arrangements lassen eigentlich immer mehr oder weniger noch Verbindungen zum Original erkennen, wobei die Eigenständigkeit nicht zu kurz kommt. Gerade die Version von "Give peace a chance" hat meiner Meinung nach nur noch wenig Ähnlichkeit zum Original, ist aber trotzdem durch seine atmosphärische Interpretation eines der Highlights. Dass am Schluss des Liedes auch noch "Smoke on the water" von Deep Purple, sowie "Rock and Roll" von Led Zeppelin zitiert werden, tut dem Ganzen keinen Abbruch, sondern ist vielmehr ein fetzig-ironischer Ausklang. Andererseits werden vielleicht manchen echtem John Lennon Fan bei "Imagine" die Nackenhaare zu Berge stehen. Eine Steigerung zum Original ist bei diesem Lied einfach nicht möglich, obwohl auch die Version von Collage zumindest ihren eigenen Charme besitzt. Bei den anderen Stücken kommt z.B. "Power to the people" als nettes Mitsing Lied daher und "Woman" schmalzt einfach wunderschön mit zuckersüßen Keyboardteppichen und der für Collage typischen weinerlichen Gitarre. Dafür wird bei "Cold turkey" kräftig unplugged gebluest, bevor es zum Ende des Stückes wieder typisch neo progressiv sinfonisch wird. Dieses Album kann aber trotzdem bedenkenlos allen Collage Fans empfohlen werden und zum Antesten auch denen, die mal alternative Coverversionen im Neo Prog Gewand hören möchten.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1995