CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)
Ron Jarzombek - PHHHP!
(43:31, Privatpressung, 1988)
Ron Jarzombek - Solitary speaking of theoretical confinement
(45:22, Privatpressung, 2002)
Ron Jarzombek, Gründer, Kopf, Komponist und Gitarrist der Avantgarde Jazz Metal Vordenkertruppe Spastic Ink ist als Gitarrist ein begnadeter, extrem phantasiereicher Techniker. Schon als er mit Watchtower, seiner ersten Band begann (die 1985 ihr erstes Album "Energetic disassembly" veröffentlichte), konnte man ahnen, zu welcher Qualität dieser außergewöhnlich begabte Musiker finden würde. Er ist ein Besessener, ein Tier. Er kann nicht aufhören, Gitarre zu spielen, Töne, Melodien, Harmonien zu entwickeln. Ron Jarzombek beherrscht sein Instrument hervorragend, ist ein peinlich genauer Saitenakrobat und unzufriedener Tüftler. So sind wohl auch diese beiden Alben seiner endlosen Suche nach melodischen Lösungen, kniffligen Melodien und komplexen Notationen zu verdanken. "PHHHP!" ist ein frühes Werk, das in aller verknoteten Technikexplosion sehr liedhaft ist, durchaus Songformat hat, wenn, logisch, die Exkursionen der Finger auf den Saiten natürlich Vorrang haben. Neben seinen Gitarren (und noch mehr Gitarren) hat er eine Fülle technischer Möglichkeiten genutzt, abgesehen vom Schlagzeugcomputer hat Ron Jarzombek etliche Soundeffekte, Stimmen, Lärm hinzu gefügt, die Tonbänder zur Geräuschwerdungen der Aufnahmen manipuliert. Es sind 14 einzelne "Songs" aufgelistet, die jeweils voll gestopft sind mit Melodien, Riffs, Sounds, Noise und unsagbar krummen Rhythmen. In aller Komplexität steckt sehr viel Lyrik und Stille, längst kracht es nicht nur. Die Stücke sind prä-Spastic Ink und längst nicht von dieser Qualität, das sollen sie auch nicht sein. Das sind Studioschnipsel eines Begabten, der zwar Songs spielt, aber bewusst auf Technik reduziertes anbietet. Während "PHHHP!" eine selbst gemachte CD ist, wurde die jüngere "Solitary speaking of theoretical confinement" industriell gefertigt. Zwischen den Aufnahmen stehen Welten. Die Songs des 2002 veröffentlichten Albums sind viel vitaler, gnadenloser, metallischer. Die technischen Sachen neben der Gitarre wie Rhythmuscomputer, Tape Effects, Strings, Synthesizer, Keyboards und Percussion - aus dem Computer - sind viel packender, verzahnter, lebendiger arrangiert. Hier schließt sich eher das Gefühl auf, einer richtigen Band, richtigen Songs zuzuhören. Auch die technischen Licks, Riffs, melodischen Läufe; überhaupt das Gitarrenspiel ist virtuoser. Stets ist das begnadete Naturell des Musikers zu spüren, allgegenwärtig. Diese Fülle an melodischem Übereinander, dieser Verflechtung harmonischer Notizen und disharmonischer Spannung ist einzigartig (neben Spastic Ink, versteht sich). Die CD ist in 45 einzeln anwählbare Tracks aufgeteilt, obschon der Eindruck entsteht, das ganze sein ein einziges, in sich geschlossenes Werk (...was es letztlich auch ist). Da gibt es keine Pausen, nur Wechsel, mal krass, mal harmonisch, mal radikal, mal sanft. Die Stücke sind hin und wieder auch kräftig jazzbeeinflusst (z.B. Nr. 7), in jedem Fall sehr eigen und mit keiner anderen Band als Spastic Ink vergleichbar. Aber auch der Vergleich mit Spastic Ink hinkt, denn dies alles ist allein Ron Jarzombeks Werk, obwohl der Rhythmus am Computer komplex programmiert wurde und sich ein gewisses Songformat erschließt, ist doch alles auf Gitarre, auf Soli, außergewöhnliche Melodiefindung und kompositorischen Ausdruck konzentriert. Dies ist die Essenz dessen, was Spastic Ink ist; eine abstrakte, Ton gewordene Variante dessen. Wohl zum Vergnügen Ron Jarzombeks eingespielt, und zum Vergnügen und bassem Erstaunen für alle Interessierten. Gitarristen, Gitarrenfreaks und Avant-Progjünger können sich von diesem Alben angesprochen fühlen. Beide Alben sind höchste Qualität technischer Umsetzung jazzmetallischer Vorstellungen. Absolute Empfehlung!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004