CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)
Michael Giles - Progress
(42:15, Voiceprint, 2002)
Mit dem Namen King Crimson verbinde ich zunächst den Namen Fripp und eine bisweilen nur schwer zugängliche Art von Musik. Für mich haben sie in den 70ern Prog-Geschichte geschrieben. Und dies ist nicht ausschließlich Fripps Verdienst, dazu benötigte er diverse kompetente Weggefährten. Und eben diese ehemaligen Mitstreiter sind in der Zwischenzeit wieder schwer aktiv. So konnte sich die 21st Century Schizoid Band auf recht beeindruckende Weise in Erinnerung rufen. Drummer Michael Giles war in dieser Wiederbelebung der Früh-70er-KC-Variante ursprünglich mit von der Partie, verließ die Band aber wieder und wurde durch einen anderen Ex-KC-Drummer, nämlich Ian Wallace, ersetzt. Das vorliegende erste Soloalbum Giles' wurde 2002 produziert, die Kompositionen stammen aber laut Frontcover aus dem Jahr 1978. Angesichts des Namens King Crimson kann zunächst vermutet werden, mit starkem Tobak konfrontiert zu werden. Damit liegt man allerdings falsch - ganz im Gegenteil, die ruhigen Momente überwiegen, es gibt nur gelegentliche leicht angeschrägte, jazzige Tendenzen. Ein starker Canterbury-Einfluss ist deutlich hörbar, was sicherlich nicht zuletzt auch auf die beteiligten Gastmusiker zurückzuführen ist. So spielt beispielsweise Geoffrey Richardson an Geige, Flöte, Gitarre eine wichtige Rolle. Weitere bekannte Namen: Bruder Peter Giles sowie John Perry (beide Bass), Jimmy Hastings (Caravan), John Mealing (Strawbs). Teile der Brass Section kommen mir auch bekannt vor, die Herrschaften waren wohl auch auf dem legendären Lizard-Album vertreten. Die Gesangsparts werden verteilt auf Giles, Richardson und Catherine Howe und kommen ausgesprochen unaufgeregt daher und wissen mich durchaus zu überzeugen. Ähnlich wie auf dem 70er McDonald and Giles-Album gibt es auch hier wunderschöne ruhige Titel. So gehören für mich z.B. das simpel anmutende, aber irgendwie geniale "Midsummer day" oder der von Frau Howe besungene Titel "Sunset" zu den Highlights dieses Albums. Dies ist eindeutig mehr Canterbury als King Crimson, und wer die eher ruhige, melodiöse Seite von KC mag (jawohl, die hat es mal gegeben), der kann mit diesem Album vermutlich recht gut leben.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2004