CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Archive - Noise
(67:55, Eastwest, 2004)
Vor rund zwei Jahren gelang Archive mit "You look all the same to me" ein verdienter Überraschungserfolg, dem auch in der Progszene einige Begeisterung entgegengebracht wurde. Mit einer melancholischen Mischung aus deutlichen Pink Floyd Anleihen und trägen Elementen, sowie einer Mixtur aus modernen Rhythmen und antiken Sounds, gelang den Briten eine interessante Neuverschmelzung anscheinend gegensätzlicher Stile. Bange Frage: wie geht es nun auf "Noise" weiter? Weg von den atmosphärischen Klängen bzw. Aufbruch zu neuen Ufern? Wie so oft, lautet die Antwort: teils, teils. Zuerst einmal klingt "Noise" unverkennbar immer noch nach Archive, jedoch ist dieses Album insgesamt direkter, organischer, weniger subtil, als der Vorgänger ausgefallen. Die Soundspielereien sind weniger geworden, technoide Stampfrhythmen fast gänzlich verschwunden, die hypnotischen, atmosphärischen Parts haben nicht mehr die offensichtliche Präsenz. Geblieben ist dafür das gekonnte Wechselspiel aus sehr ruhigen Nummern, sowie rockigeren, sich langsam entwickelnden Material. Die Rockkomponente ist jedoch dieses mal ausgeprägter, Gitarre und kaputte Sounds stehen viel mehr im Vordergrund, was dem Album vom Grundsatz her einen modernen Alternative Rock Anstrich verleiht. Dennoch gelingt es der Band immer noch in den langsam anschwellenden Parts, den weit ausholenden repetitiven Spannungsbögen, untermauert von antiken Keyboardsounds bzw. Streichern, die typische Magie von Archive einzufangen. Leider bestechen die Melodien nicht mehr ganz durch die ergreifende Momente, die noch "You look all the same to me" auszeichneten. Einen Übersong wie "Again" findet man auf "Noise" nicht. Genausowenig sind Archive aber auf einmal in radiotaugliche Längen verfallen. Immer noch nehmen sie sich Zeit ihre Ideen wohl durchdacht auszubreiten, langsam weiterzuentwickeln und in euphorischen Bombast zu gipfeln. Wie die einzelnen Titel, so unterzieht sich auch das Album einer inneren Entwicklung. Je länger der Rundling rotiert, umso stärker entfaltet sich die Kraft der Songs. Die zerbrechlichen, ruhigen Momente scheinen fast in sich zusammenzufallen, beim krachenden Abrocken wird der Spaß der Musiker hörbar. Auch wenn "Noise" im direkten Vergleich mit "You look all the same to me" etwas zurückstecken muss, so haben Archive definitiv wiederum ein wirklich gutes, ansprechendes Album für einen breiteren Hörerkreis abgeliefert.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004