CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Amygdala - Amygdala
(51:22, Soleil Zeuhl, 2004)
Das kleine Label Soleil Zeuhl, das in enger Beziehung zur heutigen Magma-Besetzung und Band One Shot steht, mausert sich. Zwar veröffentlicht Soleil Zeuhl nur sporadisch (Amygdala wird als Nummer 11 gelistet), dafür aber gibt es hier nur gutes bis sehr gutes Material. Amygdala sind Yoshiyuki Nakajima (Keyboards, Synth Programmierung) und Yoshihiro Yamaji (Gitarre, Bass, Gesang, Tyrant). Die 6 Songs + Bonus stecken ein stilistisch weit verzweigtes Feld zwischen Magma und Univers Zero ab. Auch wenn das Schlagzeug unpassender Weise vom programmierten Synthesizer wiedergegeben wird - was sich in dieser Komplexität, druckvollen Dynamik und umfangreichen Sounddichte ausgezeichnet macht - aber gerade Zeuhl, Magma-inspirierte Musik ohne Schlagzeuger, das muss erst mal runtergehen - nun, ist die Musik unglaublich inspiriert. Die beiden Japaner nehmen sich kein Stück zurück, sondern brettern, was das Zeug hält. Die Songs sind extrem dunkel, bedrohlich und angriffslustig, wer Zeuhl nicht kennt, kann das kalte Grausen kriegen. Zudem ist hier alles dramatisch aufgebaut, als würden Igor Strawinsky und Olivier Messiaen als Berater für Kompositionsangelegenheiten dem Duo zur Seite gestanden haben. Das heißt, wer komplexe Musik mag, bekommt hier so richtig was fürs Gehirn. Drittens rockt das Duo sich schön heftig durch diese Kraterlandschaft auf dem Notenpapier. Die Tasten sampeln schon mal Mellotron-Sounds, manchmal, wie es heute oft üblich ist, klingen die Keyboards wie Computerspiele. Das will aber erst mal entdeckt werden. Die durchbrochenen Songs sind brutalst zerlegt. In dieser dunklen Stimmung voll röhrender Gitarren, Break-Durchsetzten Rhythmusarbeit, avantgardistischen Pianoarbeit, virtuosen Technik und zupackenden Härte steckt zudem ein schelmischer Humor, der hin und wieder rhythmisch, dann wieder arrangementtechnisch oder melodisch zum Vorschein kommt und augenzwinkernd meint, so schlimm sei das Ganze dann doch auch wieder nicht... Yoshiyuki und Yoshihiro sind große Künstler, die ein grandioses Werk abliefern, aus dem man lange zehren kann, das überhaupt erst erfasst und begriffen werden will. Das 7. Stück, als Bonus aufgelistet, hat viel mehr von diesem etwas lächerlichen Computerspiel-Klang, ist symphonischer, einfacher, aber nicht weniger düster, dramatisch und beeindruckend. Für Zeuhl- und Magma-Freaks ist die Scheibe Pflichtprogramm, genauso wird auch die Univers Zero-Abteilung damit Erlösung finden.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004