CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Guapo - Five suns
(62:48, Cuneiform, 2004)
Cuneiform haben schon eine bizarre Art von Humor. Auf ihren Pressezetteln geben sie unter der Bezeichnung "File under" ihre persönliche stilistische Einordnung eines Albums vor. Da wird nicht groß mit verwirrenden Stilbezeichnungen herumgespielt (ganz im Gegensatz zu diesem Heft, hehehe!), sondern bei Guapo steht ganz schlicht und einfach: Rock. Wer die Labelpolitik des amerikanische Labels kennt, der weiß, dass es sich dabei natürlich nicht um "handelsüblichen" Rock handelt, den die Allgemeinheit als denselben erkennen würde, sondern dieser Begriff wurde mal wieder sehr weit gefasst. Im Kleingedruckten des Pressewischs findet man dann auch diejenigen Bandnamen, die man getrost als grobe Orientierungshilfe heranziehen kann: nämlich Magma, King Crimson, Univers Zero oder Ruins. Bei "Five suns" handelt es sich um die fünfte CD von Guapo. Die Musik ist am trefflichsten mit Adjektiven wie intensiv, emotional, wuchtig oder düster beschrieben, bewegt sich fließend an den Grenzen von Zeuhl, Jazz Rock, Minimalismus und Avantgarde. Im Gegensatz zu der japanischen Variante des überdrehten Zeuhl à la Ruins, orientieren sich Guapo mit diesem Album nahe am Minimalismus von Magma, bauen aus repetitiven Wiederholungen und langsamer Tempoverschärfung eine unglaublich intensive, geradezu beängstigende Spannung auf. Vor allem die Hinzunahme diverser Keyboardsounds, die von Fender Rhodes, Orgel, Mellotron bis hin zu Harmonium reichen, sorgen für eine klangliche Tiefe, die den Hörer immer mehr in die Musik hineinzieht. Zentrales Brachialwerk ist der über ein dreiviertel Stunde lange Titelsong, der mit treibenden Rhythmen und einer fast schon gruseligen Grundstimmung immer wieder den inneren Aufbau zusammenreißt, um danach aufs neue mitreißende Dynamik und Intensität aufzubauen. Der knarzende Bass bohrt sich bedrohlich in die Magengegend, das Schlagzeug hämmert unglaubliche Rhythmen nicht von dieser Welt, abwechselnd geben sich Gitarre oder Keyboards geheimnisvollen Soloexkursionen hin. Vor allem die effektiv eingesetzten Mellotronsounds geben dieser epochalen Untergangsmusik eine nicht mehr zu überbietende, apokalyptische Gefahrenzulage. Wer's gerne heftig mag, liegt bei diesem Album absolut richtig. Ein grandioses, orgiastisches Meisterwerk aus anderen Sphären - das Ende ist nah!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004