CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)

Týr - Eric the red
(60:27, Tutl, 2003)

Týr ist nicht nur ein nordischer Kriegsgott, der durch Rotation des offensichtlich schon damals fröhlich kreiselnden Personalkarussels für den besser bekannten Odin Platz machen musste und ist auch nicht nur ein weniger geläufiges, aber nettes Black Sabbath-Album der Tony Martin-Ära - Tyr ist ebenso eine recht beachtenswerte Band von den Faröer Inseln. Ihr Album, Nachfolger des letztjährigen Debüts "How far to Asgaard", haben sie Eric The Red gewidmet. Auch hier besteht wieder akute Verwechslungsgefahr, aber Erich der Rote ist weder mit unserer Heidi, der Roten oder Rezzo, dem Geschlauchte verwandt oder verschwägert, sondern war der sagenumwobene norwegische Wikinger, der wegen eines Totschlages seine Heimat verlassen musste und dabei .. Grönland entdeckte. Was das alles Progfans zu interessieren hat? Das ist nicht ganz einfach anzugeben. Das Album ist so melodietrunken, eigenständig und bockstark, dass es den einen oder anderen zu Grenzerfahrungen neigenden (und darum sollte es bei "progressive" doch gehen?) Prog-Jünger eben doch ansprechen könnte. Das Genre ist aber eindeutig Viking bzw. Folk Metal und kann als eine Mixtur beschrieben werden, die so überzeugend gelungen wie Finntroll (aber weit weniger unernst gemeint, als die Werke dieser Polka-Kobolde) oder wie Thyrfing (aber weit weniger blutrünstig) ist und ähnlich wenig eigentlich "progressive" Elemente enthält wie diese. Dennoch ist der Aufbau von Longtracks wie "The edge", "Alive" oder das Titelstück ansprechend und durchaus anspruchsvoll. Nur legen die Faröer mehr Wert auf Melodien und deren nachdrückliche Mitsingbarkeit als auf Mellotroneinsatz und Rhythmuswechsel zwischen Walzer und 9/15tel. Stärkstes Stilmittel sind die mächtigen, in Englisch, Dänisch und (dem Vernehmen nach) dem Faröischen gehaltenen "Wikingerchöre", die wie gesagt auf nicht mehr geheure Weise zum Mitsingen und -segeln animieren. Nicht zuletzt die Cover Version des alten Kelten-Mitschunklers "The wild rover". Nochmal: Kein herkömmlicher Prog, aber mit riesigem Spaßbonus.

Klaus Reckert



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