CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)
The Saboten - Beyond the blue heaven
(65:44, God Mountain Records, 2003)
The Saboten ist ein Projekt von Hoppy Kamiyama, der hier für Digital President, Slide Geisha, Ass Hole Box, Scum Tape from Garbage und Gram Pot steht. Zweiter Mann im Bunde ist Saguaro, dem Six Strings Voo Doo Booster und Psychic Moniter with Power PC zugeordnet ist. Drittes Mitglied ist DJ Force, der Turn Table & Juice Plug und Bum Head Squeezer bedient. Zwei ultralange Songs sind auf der CD. Das rein elektronische "Heliocoid spume" eröffnet. Das epische Stück breitet sich auf 30 Minuten aus. Der leise Beginn steigert sich über einen langen Zeitraum, entwirft verschiedene Soundeffekte und Strukturen, die erstaunlich harmonisch klingen. Ich würde das Resultat Space-Electonica nennen. Der Song macht den Eindruck, auf einer Weltreise fremdartige Töne eingefangen zu haben, die er mit symphonischen Sounds mixt, so klingen unterschwellig Mellotron-Laute aus den Boxen, bombastische Chöre, die von den blubbernden, verzerrten Geräuschen überdeckt werden. Die Struktur ist minimalistisch, es braucht seine Zeit, bis sich das Motiv verändert. Eine wirkliche Melodie gibt es nicht, der Song funktioniert auf rhythmischer Basis, die sich aus den vielfältigen elektronischen Tönen speist. Einen richtigen Rhythmus gibt es auch nicht, eher eine fantastische Vorstellung davon. "NÖK", zweiter Songs auf der CD, ist völlig anderer Struktur. Das 24-minütige Stück beginnt in einem mordsmäßig lauten Freejazz-Auftakt, der ordentlich erschreckt, zumal das erste Stück leise ausklang. Willkommen bei Hoppy Kamiyama. 9 Gastmusiker sind involviert, unter ihnen Tatsuya Yoshida, Schlagzeuger des Avant Duos Ruins, der mit Hoppy die Jazzrock-Orgie Daimonji einspielte. Zudem ein Bassist, ein Perkussionist und eine 6-köpfige Bläserschar, die für die kreischenden Free-Attacken sorgen. Der harsche Auftakt verklingt, bricht in sich zusammen und entwirft grandiosen Jazz-Fusion, der von schnarrender Electronic überlagert wird und melodischen Ausdruck in harmonischer Bläserarbeit findet. Diese nachvollziehbare und sehr inspirierte Struktur wird auf längere Zeit gehalten, was entspannt und zugleich anspannt, weil der nächste harsche Ausfall stets kommen kann. Der bleibt zunächst jedoch aus. Im Gegenteil spielt das Jazz-Ensemble ein ungemein homogenes, spannendes Stück Musik höchster Qualität. Das steigert sich schließlich wieder in völlig destruktivierten Freejazz, der lange ausklingt und die letzten 8 Minuten rauschende, fiepende, kratzende Electronic zurücklässt, die kräftig an den Nerven schraubt. Wer Konzentration und Nerven genug mitbringt, kann sich in die kühle Eleganz und grandiose Musiksprache dieser CD einhören. Wer Lärm nicht mag, sollte die Produktion meiden.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004