CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)
Hoppy Kamiyama - Juice and Tremolo - The works of chamber music
(64:30, Sonore Records, 2002)
Das französische Label Sonore veröffentlichte diesen Sampler 2002, seine Ungewöhnlichkeit und für CD-Shops fehlende Möglichkeit, es treffend einzuordnen, hat das Album unentdeckt gelassen. "The works of chamber music" untertitelt, enthält die CD 11 Stücke, die nicht nur unter dem klassischen Begriff Kammermusik unterzubringen sind. Die ersten 3 Songs sind klassisch komponiert und instrumentiert, entsprechen nicht gängigen Hörvorstellungen, sind sie doch äußerst modern, extravagant und schräg, humorverseucht und eigentümlich. Das vierte Stück zeigt erste Veränderungen. Zwar bestimmen auch hier Streichinstrumente die melodischen Motive, doch ein wilder Schlagzeugsound unterfüttert das Stück. Der radikale Wechsel geschieht im folgenden Song. "Fresh for the Jet Set" ist ein heftiger Avantgarde Rock, den Hoppy mit seiner Band Optical 8 eingespielt hat. Kammermusik insofern, als das die personell kleine Band den Song spielt. Ansonsten ist der Heavy Prog eine extravagante Orgie mit brachialen Gitarrenattacken auf fulminant-virtuosem Rhythmus. Ein Kracher par excellence, der große Freude macht. Gemäßigte Hörer werden es Free Rock nennen, doch egal, wie das Kind heißt, Hauptsache, es schreit. Und der Song bleibt keine Sekunde lang still. Im 14-minütigen "Nucleon", das Hoppy solistisch am Piano spielt, können die Ohren sich erholen und lyrische Motive genießen. Die folgenden 4 Songs sind TV-Specials, kurze Stücke, die verrückt und kitschig, heftig, schräg und schmalzig dahinschwelgen, ein irres Wechselspiel der Gefühle erzeugend, weil urkomische Motive sich mit süßen Säuseleien abwechseln, harsche Rhythmen einsam dahinplärren, afrikanische Truppen trommeln oder Wildwestmusik wie ein überkandidelter Rausch vorüberziehen. Nach dieser Aufregung folgt die Stille. 7 Minuten Insektengezirpe, die so schnell musizieren (wie Hoppy meint), dass er bereits die Töne aus dem Jahr 2006 aufgezeichnet hat. Gut zu wissen, dass es den Planeten dann noch geben wird. Solange wir also den Insekten lauschen können, geht die Welt nicht unter. Danke Hoppy, nicht nur für diese Erkenntnis und nicht nur für diese Musik. Eine Offenbarung!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004