CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)
Inquire - Melancholia
(76:07 + 18:02, Musea, 2003)
Zwar verkleiden sich Inquire in Lyrics und Gesang als Franzosen, ist das Booklet in Englisch geschrieben worden und das denkbare Vorbild skandinavisch, doch die Band kommt aus Deutschland. Die Musik ihrer 2CD ist bemerkenswert, das gibt Hoffnung für die deutsche Prog Szene, die in den letzten Jahren zwar immer wieder mittelmäßige, aber äußerst wenige herausragende Alben hervorgebracht hat. Inquire sind Robert Köhler (key, bass pedals), Dieter Cromen (g, voc) und Thomas Kohls (dr, perc). Zudem hatten Werner Weber (acc), Ursula Becker (voc), Fernand Willig, Nicolas und Gabriele Proux als Narrator an "Melancholia" Anteil. "Melancholia" basiert auf der Novelle "Nausea" des französischen Philosophen und Schriftstellers Jean-Paul Sartre. Die Texte sind im Booklet nicht angeführt, so dass die Umsetzung nicht ganz leicht nachvollzogen werden kann, doch eine knappe Einführung in den Text ist abgedruckt; überhaupt macht die Produktion den Eindruck, dass die Band mit ganzem Herzen und großem Ernst hinter der Produktion steht und die lyrische Dimension somit gewiss nicht leicht genommen haben wird. Unabhängig vom Erzählwerk des Konzeptalbums ist die Musik sehr gut gelungen. Das 76-minütige Werk gliedert sich in 10 anwählbare Songs, die gewiss einzeln funktionieren, als geschlossenes Konzept jedoch umso mehr beeindrucken. Inquire sind fabelhafte Kompositionen eingefallen, die praktische Umsetzung in kraftvollen und emotional ausgeglichenen Arrangements ist außerordentlich, dieses Album sucht seinesgleichen. Als etwaiger Vergleich, nicht unbedingt musikalisch, aber für den Aufbau des Werkes, können die Skandinavier Isildurs Bane (Cheval - Volonté de rocher) stehen. Glücklicherweise sind Inquire musikalisch keinem Vorbild verpflichtet, so dass sie ganz locker und kraftvoll ihre symphonischen Songs abfeuern. Dabei ist vor allem das mitreißende Gitarrenspiel besonders gelungen, die Keyboardarbeit braucht sich dahinter nicht verstecken, wenn die Tasten auch deutlich weniger expressiv zum Ausdruck kommen. Abgefedert durch einen komplexen und vitalen Rhythmus könnte "Melancholia" schon als Meisterwerk durchgehen. Aber da gibt es noch CD2. Die Band nennt die 18 Minuten "Welcome to my rock and roll", komponiert wurden die 5 Songs vom französischen Komponisten Louis Vierne, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeitete und laut Pressetext Vorreiter des RockīnīRoll Movement war. So kurz und knapp diese 5 kleinen Songs sind, so perfekt sind sie auch. Gar einen Tick beeindruckender als die bandeigenen Kompositionen. Insgesamt betrachtet ist "Melancholia" ein Werk mit Individualität und Ausstrahlung. Der Variantenreichtum der Töne der Keyboards ist nicht voll ausgenutzt, darum bleiben die Tasten im Eindruck hinter der Gitarre zurück. Damit ist nicht das Keyboardspiel gemeint, nicht die hohe virtuose Dimension. Inquire sind eine begnadete, wegbereitende Band. Doch um ihrer Musik mehr Reichtum zu geben, könnten sie ein breiteres Spektrum an Instrumenten einsetzen. "Melancholia" hätte sehr gut den Einsatz einer Violine, eines Bläsersatzes oder der Marimba vertragen und so weitere Facetten ausleben können. Aber vielleicht kommt solcherlei Instrumentarium bei kommender Musik bei Inquire zum Einsatz.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004