CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)
Glass Hammer - Shadowlands
(58:12, Arion Records, 2003)
Bei manchen Bands wartet man ganz sehnsüchtig auf ein schon lang angekündigtes neues Album, andere Bands überrumpeln einen völlig unerwartet. Eigentlich schien es noch nicht an der Zeit für ein neues Glass Hammer zu sein, doch die eigene Erinnerungsgabe täuscht, denn das letzte Werk "Lex Rex" stammt doch immerhin schon aus dem Jahre 2002. "Shadowlands" knüpft an den Vorgänger, wie auch die 2000er Veröffentlichung "Chronometree", an, setzt die Erfolgsformel epischer, sinfonischer Progressive Rock mit deutlichen, klassischen 70er Anleihen in Sounds (Mellotron, Hammond, Moog) und ausladenden Arrangements fort. Dieses mal handelt es sich jedoch nicht um ein zusammenhängendes Konzeptwerk, auch wenn z.B. "Run Lisette" eine geschichtliche Grundlage aus den napoleonischen Kriegen hat. Dafür ist mit der Dan Fogelberg Nummer "Longer" sogar zum ersten mal eine Coverversion am Start, die aber dennoch typisch nach Glass Hammer klingt. Wie bei amerikanischen Bands üblich, strotzen Fred Schendel, und Steve Babb, die beiden sympathischen, musikalischen Köpfe hinter Glass Hammer, vor Selbstvertrauen und selbstverständlich ist "Shadowlands" wieder mal das beste Album, welches die Band je veröffentlicht hat. Dennoch räumen sie ganz selbstkritisch ein, dass es inhaltlich keine größeren Weiterentwicklungen gab, man auf die eigenen Stärken und den bei "Lex Rex" gefunden Sound vertraute. Die Wahrheit liegt, wie immer, dazwischen. "Shadowlands" bietet zunächst einmal alles das, was man von Glass Hammer erwarten darf. Perfekt werden die eigenen Vorgaben umgesetzt, sinfoniert und bombastet es einfach wunderbar zeitlich rückwärts gerichtet. Natürlich hört man Ähnlichkeiten zu den eigenen Ideen bzw. anderen Bands heraus, aber gerade das mehrfache Anhören offenbart doch manch ideenreiches Detail - die hochmelodische Musik versetzt einen in angenehmes Wohlbefinden. Interessantweise findet man dieses mal vor allem jede Menge Yes-Anleihen wieder, wie auch kürzere Ausflüge ins Kansas Fahrwasser zu vernehmen sind. Gerade die Keyboards, aber auch einige Gitarrenlinien wandern vernehmbar auf Yes "Going for the one" Phase, in einigen Momenten kommen sogar Erinnerungen an "Magnification" auf, wobei Glass Hammer daraus immer ihre ganz eigene Version ziehen, sie von bloßem Plagiat entfernt sind, die Inspiration aber dennoch deutlich durchscheint. Da jubilieren die Keyboards, ätherische Chöre scheinen nicht von dieser Welt, Wakeman-esque wird über die Tasten gehuscht, Steve Howe-gleiche Gitarrenlinen sind nur schwer zu ignorieren. Als weiterer, deutlicher Pluspunkt darf die Hinzunahme eines Streichertrios, sowie, die bereits von "Lex Rex" bekannte, mehrstimmigen Backgroundchöre gewertet werden, die die Klangbreite passend ergänzen. Zudem ließ es sich die Band nicht nehmen, eine rund ein halbe Million Dollar teure Kirchenorgel einzubauen, wobei besonders der Rückgriff auf analoges Equipment in Zusammenspiel mit modernen Studiobedingungen dem Album einen sehr warmen, authentischen Klang verleiht. Natürlich wildern Glass Hammer eindeutig in der Vergangenheit. Aber den Amerikanern gelingt dies spätestens seit "Chronometree" so gut und überzeugend, dass auch "Shadowlands" wiederum bedenkenlos als Retroscheibe empfohlen werden kann.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004