CD Kritik Progressive Newsletter Nr.47 (02/2004)

The Gathering - Sleepy buildings - A semi acoustic evening
(72:43, Century Media, 2003)

Ein Akustik bzw. "Unplugged" Album aufzunehmen, gehört seit einigen Jahren zum guten Ton. Leider verkommen dabei oftmals die akustischen Versionen zu einer zurückgenommenen, meist der eigentlichen Kraft entraubten Interpretation des ursprünglichen Materials. Doch in manchen, viel zu seltenen Fällen, entstehen spannende Neuinterpretation, die über ein Eigenleben verfügen. So gingen The Gathering bei ihrem aktuellen Album "Sleepy buildings", welches auf zwei exklusiven Konzerten am 21./22.August 2003 in Nijmwegen mitgeschnitten wurde, schon vom Grundansatz her einen anderen Weg. Der Untertitel "A semi acoustic evening" deutet es an: nicht nur akustische Instrumente sind zu hören, sondern durch die sparsame Hinzunahme von elektrischen Komponenten, wie z.B. Keyboards, E-Gitarre oder Samples, wird eine ganz andere klangliche Tiefe erschaffen. Dabei steht jedoch vor allem Sängerin Anneke van Giersbergen mit ihrer variablen Stimme, die dieses mal den fragilen, melancholischen Passagen noch mehr Tiefe verleiht, deutlich im Vordergrund. Auch das Weglassen von den rockigen "Abgehnummern", einem deutlichen Schwerpunkt auf die getragenere Klänge, fällt keineswegs negativ ins Gewicht. Des weiteren wagten die Holländer zum ersten mal seit dem Einstieg ihrer Frontfrau, wieder den Rückgriff auf Material von den ersten beiden Alben "Always" (1992) und "Almost a dance" (1993), auf denen noch kräftig gegrunzt wurde, Gothic, Doom und mehr metallische Elemente vorherrschten. Jedoch wurden die Songs so geschickt umarrangiert, dass sie keineswegs als Fremdkörper wirken und sich auf einmal wesentlich näher am aktuellen Material orientieren. Gerade bei der Songauswahl bewiesen The Gathering ein feines Händchen, für das, was in abgeänderten, konzentrierten Versionen funktioniert. So verzichtet man auf die "Hits", wie "Strange machines" oder "Liberty bell", sowie Songs vom aktuellen Studioalbum "Souvenirs". Dafür sind es vor allem die sphärischen Nummern von "How to measure a planet?", die am besten funktionieren, selbst wenn sich die Band auf "Sleepy buildings" aus der gesamten Diskografie bedient. Begleitend zu diesem Album, welches bis auf "Nighttime birds" und "The May Song" das komplette Material der Mitschnitte enthält, gehen The Gathering im Frühjahr auf Akustiktour, um in einem anderen Konzertrahmen in bestuhlten Sälen, ihre Songs in diesen gelungenen Neuinterpretationen zu präsentieren. Ein gelungenes Experiment, welches wiederum eine neue Facette von The Gathering offenbart.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2004