CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)
Morphelia - Prognocircus
(72:27, Vossphor Records, 2003)
Aus dem ganz hohen Norden der Republik, aus dem ostfriesischen Aurich kommen Morphelia, die Ende 2002, Anfang 2003 ihr Debüt "Prognocircus" aufnahmen. Die beteiligten Musiker sind beileibe keine Newcomer mehr und können nicht nur altersmäßig bereits auf einiges an Erfahrung zurückblicken. So ist es nicht weiterhin erstaunlich, dass sich Morphelia - übrigens ein Wortspiel aus Morpheus und Orphelia - laut eigener Aussage dem progressiven Rock der 70er verschrieben haben, den sie mit Hard Rock und metallischen Sounds der Neuzeit verquicken. Die Grundausrichtung ist sinfonisch und eher geradlinig, zugleich aber auch konzertant und verspielt ausgerichtet. Komplexe, technisch überladene Passagen findet man hier nicht. Stilistisch passt eine Zuordnung besser in den Neo Prog Bereich der 80er Jahre, gerade was den Sound von Keyboards und Gitarre angeht, als dass die Erinnerungen an die 70er zu deutlich herausstechen. Aber egal, in welche, der lediglich zur Orientierung dienenden Schubladen man den Fünfer stecken möchte, über weite Strecken definieren sich Morphelia über ein eigenen Stil. Sie vertrauen ohne Firlefanz auf ihre grundlegenden Stärken und so ehrlich und direkt rockend kommt dann auch die Musik herüber. Mit einem Zitat aus Holsts "Mars" beginnt das Album dramatisch und verheißungsvoll, bevor in "Midnightsun" flott und bombastisch, mit metallischen Riffs übergeleitet wird. Erinnert etwas an die italienischen Asgard. Woran sich jedoch die Geister scheiden werden, ist die Stimme von Frontmann Kurt Stwrtetschka. Intonation und Melodieführung sind durchaus gewöhnungsbedürftig, nicht immer treffsicher und können keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass der Gesang einen deutlichen Teutoneneinschlag hat. Die instrumentale Fraktion hingegen baut vor allem auf ein dichtes Zusammenspiel. Ausufernde Soli sind keine zu finden, auch wenn sich die Songs alle jenseits der 6½ Minuten Grenze, meist sogar im zweistelligen Minutenbereich bewegen. Keyboarder Günter Grünebast sorgt vor allem für tastendrückende Atmosphäre, Soli sind die Ausnahme, diese sind Gitarrist Guido Gröhlich vorbehalten. Er steuert ein breites Spektrum von verspielten Melodiebögen, flirrenden Läufen bis hin zu Heavy Riffs bei. Die Rhythmusfraktion Renko Rickerts am Bass und Elmar de Groot Schlagzeug tickert unauffällig, solide und gruppendienlich im Hintergrund. Neben der gesunden Härte, die den Songs von Morphelia etwas mehr Schärfe verleiht und sie damit von manch Weichspülsound anderer Neo Prog Band abtrennt, fällt vor allem der klassische, sinfonisch-jubilierende Einschlag positiv auf. Ein solides, auf gesamter Laufstrecke ansprechendes Album ohne echte Durchhänger, welches vor allem die Fans von sinfonischen, melodischen Neo Prog ansprechen wird, die es ruhig auch mal etwas härter mögen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003