CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)
Mizukagami - Mizukagami
(48:10, Musea, 2003)
Oh große Qual, warum immer ich?! Ich mag nicht mehr, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Was ist passiert, fragt sich der besorgte Leser? Da beginnt das Album von Mizukagami so richtig schön mit Retrosounds, ein verheißungsvoller Beginn mit Flöte, singender Gitarre und antikem Tastenklang kündet von mehr und dann das. Was hier Sängerin Tannami Futaba abliefert, ist zum Teil fahrlässige Körperverletzung. Entweder verfügen die Menschen im Fernen Osten über andere Hörgewohnheiten bzw. ein anderes gesangliches Schönheitsideal oder es ist schlichtweg Absicht, dass hier einige Tonlagen ganz böse verpasst werden. Schauder! Eigentlich verdammt schade, denn was ihre männlichen Kollegen bieten, u.a. ist mit Junya Anan der Hauptkomponist der Nipponband Pediment von der Partie, wurde inhaltlich ansprechend ausgedacht und handwerklich bestens umgesetzt. Ein leicht rumpeliger, verwaschener Gesamtsound sorgt für kleinere Verstörungen, aber er ist ebenfalls dafür zuständig, dass die Musik von Mizukagami noch authentischer nach 70ern klingt. Der Fünfer aus Japan orientiert sich an den großen Namen aus der heimatlichen Vergangenheit, verbindet das Feeling japanischer Traditionen mit sinfonischem Progressive Rock. Besonders das Tastenarsenal wühlt sich so richtig tief in die analogen Klänge der Vergangenheit hinein. Atmosphäre und Spannung werden sorgsam aufgebaut, auch wenn einiges zu offensichtlich schablonenhaft zusammengezimmert ist. Dennoch wird der Hörer keineswegs mit ultrakomplexen Abläufen überfahren, sondern Harmonie und Melodie bestimmen die musikalische Wegstrecke. Dies soll aber keineswegs heißen, dass gänzlich auf Ecken und Kanten verzichten werden muss, jedoch sind diese bei Mizukagami geschickt im melodischen Gesamtkonzept verwoben. So gibt es in der Gesamtbeurteilung leider eine gewaltige Diskrepanz zwischen der instrumentalen und gesanglichen Leistung. Während die männlichen Akteure an Griffbrett, Taste und Stöcken manch prima Idee realisieren, kann die Jodelchanteuse vor allem dann überzeugen, wenn sie zur Flöte greift. Hier wäre sicherlich mehr drin gewesen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003