CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)

Machiavel - Welcome to paradise
(50:48, CNR Music, 2003)

Da sind sie wieder, die bekannteste Prog-Band unseres Nachbarlandes Belgien. Mittlerweile haben sie offensichtlich wieder zu einem konstanten Line-Up gefunden, denn neben Sänger Mario Guccio, Schlagzeuger / Sänger Marc Ysaye, Bassmann Roland de Greef und Gitarrist Thierry Plas ist mittlerweile auch Ex-Now-Keyboarder Hervé Borbe voll integriert. Nach dem überraschenden Comeback-Album "Virtual sun", das mir sehr gut gefiel, kehren sie nun mit einem neuen Werk zurück, auf das ich entsprechend gespannt war. Nach dem ersten Durchlauf war ich zwar leicht enttäuscht, doch nach einigen weiteren Versuchen löste sich diese Enttäuschung in Wohlgefallen auf - typisches Beispiel einer falschen Erwartungshaltung. Komplexer Bombast-Rock ist bei Machiavel nicht mehr angesagt, vielmehr gibt es hier einen Ohrwurm nach dem anderen. Die Gesangsmelodien haben hier eindeutig höchste Priorität, die Qualität der Gitarren- und Tastenarrangements werden erst nach und nach sicht- bzw. hörbar. Was anfangs für mich wie ein 08/15-Melodic Rock-Album klang, beeindruckt mich jetzt zunehmend, da mir so nach und nach viele kleine Details auf- bzw. gefallen. Dass Mario Guccio eine markante Stimme hat, ist bekannt. Hier geht er gelegentlich auch wieder an die Grenze, auch weiß er seine Stimme sehr variabel einzusetzen. Und wer Guccio kennt, weiß, dass er gerade die schwierigen Stücke auch live bringt. Keyboarder Hervé Borbe, manchen noch von Now bekannt, streut fast in jedem Titel tolle Arrangements ein, die erst beim zweiten oder dritten Hören deutlich werden. Seine Rolle bei Machiavel ist nicht so vordergründig-bombastisch wie bei Now, doch er weiß diese Position hervorragend auszufüllen. Lediglich in den beiden längeren Titeln darf er mit Piano und Orgel auch mal ganz nach vorne. Aber letztendlich dominiert wie immer Guccio. Klasse Stimme, tolle Gesangsmelodien, coole Gitarre, feine Keyboards. Das Album gefällt mir richtig gut, was ich (s.o.) anfangs nicht gedacht hätte. Ob harte Rocknummer ("Out of you", "Take all the moments") oder schöne Ballade ("Breathe" oder das dem französischen Sänger Pierre Rapsat gewidmete "So long" mit tollem Piano-Part) - es ist stimmig. Und natürlich fehlen auch nicht die akustischen Parts, und natürlich darf auch Drummer Ysaye mal ans Mikro - wie gehabt. Klasse Album, das auch wieder auf die kommende Tour neugierig macht - denn live sind Machiavel stets eine Bank!

Jürgen Meurer



© Progressive Newsletter 2003