CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)

The Guardian's Office - The Guardian's Office
(46:59, Cyclops, 2003)

Irgendwie scheint Pål Søvik wohl bei seiner eigentlichen Band Fruitcake nicht genügend ausgelastet zu sein. Ist er bereits dort als Komponist / Schlagzeuger und Sänger prägender Bandleader, nimmt er bei seinem neuen Projekt The Guardian's Office fast die gleiche Stellung ein. Das "fast" bezieht sich darauf, dass nicht er singt, sondern Keyboarder Tony Johannessen diese Rolle in Personalunion und mit deutlich mehr stimmlicher Kraft als Søvik übernimmt. Ansonsten erinnert jedoch sehr viel an Fruitcake, denn auch bei The Guardian's Office geht es vom Stil und Sound zurück in die progressiven 70er, auch wenn hier und da ein paar neo-progressive Schlenker zu verzeichnen sind. Warum also eine zweite Band, die eigentlich genau da weitermacht, wo die erste aufhört? Harrt die erste Frage noch ihrer Beantwortung, kommt gleich das nächste Missverständnis hinterher. Sich über den Sound auszulassen, ist bei vielen Prog Produktionen, aufgrund des begrenzten Budgets, eigentlich äußerst unfair. Doch wenn die Plattenfirma im Infozettel etwas von "hervorragender Produktion" faselt, dann ist dies ein glatter Schlag auf die Hörnerven. The Guardian's Office überzeugt eher durch einen dumpfen Rumpelsound, bei dem vor allem die Soloteile nicht gerade durch klangliche Transparenz hervorstechen. Man kann damit leben, ohne Zweifel, aber "hervorragende Produktion" klingt irgendwie anders. Aber auch sonst, hinterlässt das Debüt von The Guardian's Office leider einige Fragezeichen. Sicherlich greift die Band wunderbar die antike Soundkiste, Gitarre und Keyboards ergänzen sich gut und die tief tönenden Basspedale sind wunderbar aus dem progressiven Geschichtsbuch entliehen. Jedoch wird hier einfach zu viel mit Klischees gespielt, die eigene Identität vernachlässigt. Man erkennt zwar sofort, dass hier die Blütezeit der 70er zitiert wird, aber kompositorisch ist dabei einiges im argen. Die Einfälle klingen einfach zu vorausschaubar, zu einfach gestrickt, als das sie wirklich für aufrüttelnde Begeisterung sorgen. Just in dem Augenblick, wo man es erwartet kommt das Break, ein Solopart oder eine Rückkehr zur Grundmelodie. Die Norweger fahren zwar mit ihrem Gefährt zielsicher direkt in die Vergangenheit, aber sie kämpfen doch kräftig mit der angezogenen Handbremse und dem Blick für die Wegstrecke. Ein ambitionierter Versuch, dem vielleicht beim nächsten Mal mehr Erfolg beschieden ist.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2003