CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)

Canvas - Avenues
(49:15 + 63:18, Privatpressung, 2002)

Eine erstaunliche Produktion! Die beiden CDs mit 21 Songs und über 110 Minuten Musik sind von zwei Musikern komponiert, (mit Gästen) eingespielt, produziert und gemastert worden, ohne Unterstützung und die Qualität ist außerordentlich. Matt Sweitzer (g, b, key, perc, dr-prog) und Chris Cobel (tr, key) mit ihren Gästen Joe Dzuban (voc, ac-g, vi, org), Brian Pierce (voc, harm), Bruce Smith (voc), Amanda Broadway (voc) und Vince Simon (drum pads) haben ein stilvielfältiges Album geschaffen, das sich hören lassen kann. Angefangen vom Opener "Liberal son", bei dem spätere Pink Floyd und Alan Parsons Project Pate gestanden haben könnten, über das Brass-Pop-Stück "And it grows..." und das Jazz-angehauchte "Highways & Byways" geht es immer flott voran. Die Drum-Machine gibt einen leichten Groove unter die teilweise gut tanzbaren Stücke und fällt nicht negativ auf. Die instrumentalen Stücke, 5 Stück an der Zahl, sind am aufwändigsten, während die Songs mit Lyrics schnell ins Ohr gehen. Canvas nennen ihre Musik selbst Progressive Pop und das trifft des Pudels Kern ganz gut. Die Arrangements sind angenehm vielschichtig und reich an instrumentalen Schattierungen und Melodien, während die Band Augenmerk auf Songdienlichkeit legt. CD2 geht einen Tick ruhiger zu Werke, die Songs sind entspannter und stiller, gleichzeitig scheinen die Ideen anspruchsvoller. Die Songs sind länger, Melodie- und Rhythmuswechsel kommen häufiger ins Spiel und die bisher schon sehr ansprechenden Gesänge weiten sich zu harmonischen Chören aus. CD2 birgt zudem typisch amerikanisches Liedgut. Folkloristische Motive werden bedient, die entspannte Atmosphäre zeichnet akustische Songs mit Violine, Gitarre und Harmonika, wie sie nur aus den USA kommen können. Einige Songs dürften kein Problem haben, durch die Radiokanäle zu geistern. Die Popsongs werden vor allem von akustischer Gitarre und dem sehr schönen Gesang bestimmt, Bass und Schlagzeug geben die Laid-back-Stimmung und Tastenklänge geben eine leichte symphonische Note. Das ist angenehm und keineswegs blöd. Canvas haben geklaut, nicht nur der Opener scheint ein perfekter Klon zu sein, sie haben sich auch bei Kansas bedient, ein kurzes Geigensolo aus dem "Magnum Opus" wurde flugs in ein eigenes Stück integriert. Das sind zwar markante, aber kurze Ausrutscher. Die CDs sind vor allem für Mainstream-Prog-Fans interessant, die mit "Avenues" ein tolles Album bekommen.

Volkmar Mantei



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