CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)

José Luis Fernández Ledesma - Designios
(56:53, Luna Negra, 2003)

Luna Negra, das mexikanische Label für die etwas obskureren, schrägeren Veröffentlichungen aus dem mittelamerikanischen Raum, gibt sich mit "Designios" von José Luis Fernández Ledesma dieses mal überraschenderweise relativ versöhnlich. Ledesma, ehemaliges Mitglied der Mitte der 80er bis Anfang der 90er existierenden, mexikanischen Neo Prog Formation Nirgal Vallis, veröffentlicht seit einigen Jahren in losen Abständen seine teils mehr folkloristisch, leicht New Age artigen, teils recht komplex geprägten Soloalben. Dieses mal gibt es aber nicht nur seine verträumten, mystischen angejazzten Folknummern zu hören, er hat zum Teil auch einen Rückblick in die eigene Vergangenheit gewagt. Mit dem knapp 18-minütigen Longsong "Los designios de Géminis" und dem kurzen "Abismo" sind auf seinem aktuellen Album zwei Kompositionen von Nirgal Vallis enthalten, die bisher nicht in digitaler Form erhältlich waren. Doch nicht nur aufgrund des zeitlichen Rückblickes, ist "Designios" ein stilistisch vielschichtiges, äußerst interessantes Album, für alle Liebhaber der etwas anspruchsvolleren Klänge aus Lateinamerika. Während die beiden, sehr folkig angehauchten Eröffnungsnummern vor allem von der engelsähnlichen Stimme, der ausschließlich in spanisch singenden Margarita Botello, und federleichter Jazzuntermalung getragen werden, kommen danach mit vollständiger Bandbegleitung viel mehr der progressive Einschlag, klassische Streicherbegleitung und Jazz Rock Elemente zur Geltung. So lebt z.B. die treibende, dritte Nummer "Saena" von virtuosen Soli an Keyboards und Violine, ohne jedoch dabei in lebloses Kopieren zu verfallen, jazz-rockiger Unterbau sorgt für zusätzliche Bereicherung. Besonders der 18-minütige Longtrack bietet einiges an komplexen Verschachtelungen, an ausufernden Soloteilen, deren Wurzeln zurück in die 70er gehen. Schwachpunkt bzw. gewöhnungsbedürftig sind die nicht sofort zugänglichen Melodien bzw. anhaltende Erinnerungsmomente. Man benötigt doch einiges an Zeit und Geduld, um sich in den manchmal sperrig und sprunghaft wirkenden Passagen zurechtzufinden. Auf der anderen Seite ist es gerade die reichhaltige Instrumentierung, die von Rockinstrumentarium, akustischen Instrumenten bis hin zu Streicherbegleitung reicht, die den besonderen Reiz dieses Albums ausmacht. "Designios" ist mit Sicherheit das stärkste Album des Multiinstrumentalisten aus Mexiko. Ledesma hat die drei Stilrichtungen Folk, Prog, Jazz Rock zu einer eigenständigen, gehaltvollen Einheit verschmolzen. Absolut keine Massenware.

Kristian Selm



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