CD Kritik Progressive Newsletter Nr.43 (03/2003)

Black Dice - Beaches & Canyons
(59:41, FatCat Records, 2002)

Morgens um halb 8 ist die Welt nicht immer in Ordnung und damit nicht unbedingt jede Musik verträglich. Es sei denn, man hat stählerne Nerven, einen durch nichts zu erschütternden Magen und ist vor allem nicht kurz vor 6 Uhr aufgestanden, mit entsprechend viel zu wenig Schlaf im Gesicht. Die erste Begegnung mit Black Dice endete aufgrund fehlender Fitness und den eben angesprochenen Mängelerscheinungen sehr abrupt und rigoros. Fünf Minuten und Schwupps flog die morgendliche Mach-Mich-Wach CD wieder aus dem Abspielgerät. Liebe Leute, alles was gut ist, aber so etwas auf quasi-nüchternen Magen ist echt zu viel! Rund 11 Stunden später, Nacht und Schnee haben sich auf diesen saukalten Januarabend gelegt, gute Voraussetzungen, um im gut geheizten Zimmer nochmals zu Black Dice zu greifen. Dieses mal ist der Geduldsfaden um einiges länger, aber es ist irgendwie immer noch sehr verstörend, was hier unter dem Deckmantel "Musik" in digitaler Aufbereitung an die Ohren drängt. Schrieben da nicht andere Kritiker irgend etwas von der frühen Psychedelic Pink Floyds, fielen nicht irgendwo die Namen Can bzw. Godspeed You! Black Emperor? Doch je länger, dieses avantgardistische Gezirpe und elektronisch verfremdete Strukturgesuche dauert, um so mehr stellt sich mir nicht nur die Frage der eigenen Belastbarkeit, sondern der Offenheit gegenüber diesen wundersamen Soundcollagen. Wie bei Godspeed You! Black Emperor schwellen hier zwar ab und zu Soundwälle an, aber weder in deren Langsamkeit, Intensität, noch mit der Spur eines erkennbaren Ziels. Ich bin sicherlich nicht engstirnig oder neuen Dingen gegenüber unaufgeschlossen, aber wenn es gänzlich an einer klitzekleinen Melodie, noch durchgängig erkennbarer Rhythmik fehlt, man nur von Tonkaskaden, experimentellen Experimenten zugekleistert wird, dann stelle ich doch fest, dass mein Horizont ab einem bestimmten Punkt ganz klare Grenzen kennt. "Beaches and Canyons" überschreitet diesen.

Kristian Selm



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