CD Kritik Progressive Newsletter Nr.43 (03/2003)

Iona - The river flows Anthology Volume 1
(60:03 + 72:30 + 68:35 + 54:57, Open Sky, 2002)

Als Hauptschmierfink genießt man zumeist das vortreffliche und nicht zu missende Glück, mit Vorab-Exemplaren diverser Interpreten von den entsprechenden Labels aus dem progressiven Umfeld bedacht zu werden. Bei Box Sets sieht die Sache natürlich ganz anders aus, da aus verständlichen Kostengründen hier meist keine Bemusterungsexemplare verschickt werden und man somit den eigenen Geldbeutel zücken darf. Da in den letzten Monaten gleich zwei interessante Box Sets veröffentlicht wurden, hieß es auszuwählen. Zum einen gibt's von Yes einen umfassenden Neuüberblick, der aber inhaltlich nicht viel Neues bietet und dessen unveröffentlichtes Material bei der Allgemeinheit nicht gerade auf große Begeisterung stieß, zum anderen von Iona die 4er CD Anthology "The river flows". So fiel nach Abwägen der Vor- und Nachteile und auch aus Kostengründen die Wahl auf Iona. Eine Wahl, die sich nach Anhören dieser Box, als zweifellos richtige Entscheidung erwies. "The river flows" beinhaltet die ersten drei, inzwischen nicht mehr erhältlichen Iona Alben "Iona" (1990), "The book of Kells" (1992) und "Beyond these shores" (1993) als remasterte Versionen, sowie eine mit "Dunes" betitelte CD mit bisher unveröffentlichtem Material. Sowohl klanglich, wie auch von der äußerst geschmackvollen Aufmachung (u.a. ausführliche Beschreibungen zu jedem Titel und Album, der geschichtliche Hintergrund der weitgehendst christlichen Texte) bekommt man hier eine sehr guten Gegenwert für die ca. 45 Euro teure Box. Soundtechnisch auf den aktuellsten Stand gebracht, entfaltet der atmosphärische Folk Rock, der jede Menge sinfonische, wie auch progressive Elemente enthält, seine volle Kraft in beeindruckender Vielfalt und Prägnanz. Die engelsgleiche, zu Tränen rührende Stimme von Joanne Hogg erklingt noch klarer, die ausufernden Gitarrensoli von Bandmitbegründer Dave Bainbridge erscheinen voluminöser, die verschiedenen Folkinstrumente (u.a. Uileann Pipes, Tin Whistle) treten mehr in den Vordergrund. Während man "The book of Kells" - das wohl proggigste Werk der britisch-irischen Band - und "Beyond these shores" (u.a. mit Robert Fripp als Gast) lediglich remasterte, wurden am titellosen Debüt auch inhaltliche Änderungen vorgenommen. Fünf Minuten länger als die ursprüngliche Veröffentlichung, fallen neben kleineren, nicht unbedingt sofort hörbaren Ergänzungen, vor allem das rund 1½ Minuten längere, mit wesentlich mehr Atmosphäre und Dramatik versehene Instrumental "A'Machair" auf, wie auch der kurze instrumentale Opener "Turning tide", komplett letztes Jahr neu aufgenommen, jetzt endlich harmonisch mit dem nachfolgenden "Flight of the wild goose" verschmilzt. Auf der vierten CD dann endlich der bereits 1993 aufgenommene Soundtrack "Snowdonia - Realm of the ravens", der die musikalische Untermalung einer BBC Dokumentation lieferte und bisher lediglich als Video erhältlich war. Zudem wurde das in acht Untertitel aufgeteilte Werk mit neueren Aufnahmen ergänzt. Entsprechend der Hauptabsicht dieser Musik, nämlich als Untermalung zu dienen, ist der cineastische Aspekt dominierend, Ruhe und stimmungsvoller Ausdruck sind somit die elementaren Ausprägungen. Dazu noch drei live im Studio eingespielte Titel, die man bereits in den letzten Jahren auf den Konzerten von Iona zu hören bekam, mehr in der keltischen Tradition von Jigs und Reels gehalten - logisch, das die Titel dann auch so heißen. Die Studioversion vom englischen Folksong "I will give my love an apple", sowie zwei Aufnahmen, die nicht mehr auf "Beyond these shores" bzw. "Open sky" landeten, runden den eher getragenen, aber dennoch wunderschönen Gesamteindruck des bisher unveröffentlichten Materials ab. Für wen ist nun diese Box zu empfehlen? Als Einstieg sicherlich mit Einschränkungen interessant, da man so einen kompletten Überblick über die interessante musikalische Geschichte von Iona bekommt, doch aus Kostengründen kann hier auch das Livealbum "Heaven's bright sun" empfohlen werden. Somit ist "The river flows" vor allem etwas für die Fans, wobei neben dem klanglichen Aspekt, vor allem die neuen Facetten vom Debüt, wie auch die neuen Titel als deutlichster Kaufanreiz dienen mögen.

Kristian Selm



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