CD Kritik Progressive Newsletter Nr.43 (03/2003)

Digitalis - Season of the reason
(56:18, Moonlight Company, 2002)

Internet macht's eben möglich. "Season of the reason" entstand, obwohl die Musiker Tausende Kilometer voneinander entfernt leben, nie miteinander probten und sich lediglich per Emails austauschten. Ric Bonnell (Gesang, Gitarre) lebt jenseits des Atlantiks, Rüdiger Deuster (Keyboards, Vocoder, Electronic Drums, Gitarre) und Torsten Gager (Gitarre) kommen aus Düsseldorf. Das gemeinsame Komponieren und Schreiben fand komplett per digitalem Transfer statt, daraus lässt sich auch der Bandname Digitalis ableiten. Stilistisch tendiert das Trio zur einer Mischung aus sinfonischem Progressive Rock auf der einen Seite, wobei vor allem die Keyboards teils mit Hammond- und Synthiesound in Ansätzen an die 70er (leichter ELP Einschlag) erinnern, sowie auf der anderen Seite zu melodischem, sehr eingängigem Neo Prog mit Überhang zu den 80ern. Die meist nur vier Minuten langen Kompositionen sind kompakt und songdienlich ausgerichtet, hier und da kommt leichtes Pop Appeal dazu, wer auf der Suche nach epischem, ausufernden bzw. komplexen Material ist, wird hier nicht fündig werden. Dennoch findet sich immer wieder Platz für solistische Einlagen oder stimmungsschaffende Soundeskapaden. Mit der hochmelodischen Grundausrichtung ist zudem der Zugang sehr schnell gefunden. Was mich jedoch leicht verwundert und meine eigene Beurteilungskraft in Frage stellt, sind die geradezu euphorischen Beurteilungen von anderen Kritikern, die man auf der Homepage von Digitalis nachlesen kann. Für meinen Geschmack gibt es leider einige Kritikpunkte, die den Genuss von "Seasons of the reason" einschränken. Zum einen wirkt der Gesamtsound nicht nur durch das elektronische Schlagzeug, sondern auch vom allgemeinen Eindruck eine Spur zu technisch, zu steril, die Keyboardsounds zu käsig. Was den hohen Zugänglichkeitsfaktor bzw. die fehlende Komplexität angeht, so kann man sicherlich dort geteilter Meinung sein und letztendlich wird hier der eigene Geschmack entscheiden. Doch meine Ohren haben leider wieder mal ein gewaltiges Problem mit dem Gesang. Irgendwie erlauben mir die hohe Stimmlage von Ric Bonnell und dessen Gesangslinien keinen rechten Zugang. Da aber gerade er integraler Bestandteil von Digitalis ist, gibt es auf der persönlichen Gefallenskala Abzüge. Doch glücklicherweise gibt es auf der Homepage von Digitalis jede Menge Hörbeispiele, so dass sich jeder selbst ein Bild machen kann und dies definitiv tun sollte.

Kristian Selm



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