CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)
Sylvan - Artificial paradise
(69:22, Privatpressung, 2002)
Dass der Prophet in eigenem Lande nichts zu zählen scheint, mit dieser Tatsache müssen sich leider auch Sylvan herumschlagen. Während die sympathische Band aus Hamburg bereits auf dem Baja Prog Festival spielte, von der Classic Rock Society nach Rotherham (England) eingeladen wurde, mehrfach in Frankreich auf diversen Festivals auftrat, ist das Quintett in unseren Breiten, leider völlig zu Unrecht, nur sehr selten live zu bewundern. Doch dies sollte sich schleunigst ändern, denn ihr aktuelles Album "Artificial paradise" dürfte für den rechten Schub nach vorne sorgen. Mit diesem Werk liefern Sylvan eindeutig ihr bisher bestes, in jeglicher Hinsicht ausgereiftestes Album ab. Das mittlerweile dritte Album der Band enthält alle Qualitäten, die eine professionelle Klassescheibe von internationalen Format aus dem melodischen Rock / Prog Bereich auszeichnet. Das fängt beim geschmackvollen Artwork an, geht bei der druckvollen, transparenten Produktion weiter und endet schlussendlich beim detaillierten, aber immer auf den Punkt gebrachten Songwriting. Sylvan lösen sich auf "Artificial paradise" mehr von ihren neo-progressiven Ursprüngen, klingen insgesamt wesentlich moderner, zeitgemäßer. Dabei verzichten sie aber keineswegs auf die eigenen Wurzeln, jedoch werden die Anleihen deutlich subtiler in die Musik eingeflochten. Die Stärken von "Artifical paradise" finden sich in verschiedensten musikalischen Elementen bzw. Zutaten wieder, die ineinanderverzahnt, diesem Album den rechten Glanz verleihen. An oberster Stelle stehen dabei natürlich die ausgeklügelten Arrangements, in denen es den Nordlichter gelungen ist, aus einprägsamen Melodik, sorgsam eingesetzten Bombast, perfekter Wechsel aus langsamen Parts, ebenso gesunder Härte und majestätischen Instrumentalparts, interessante, flüssige Songs abzuliefern. Mit Marco Glühmann besitzt man zudem wohl einen der besten Sänger dieses Genres, dessen angenehme, ausdrucksstarke Stimme der Musik Wärme und Tiefe verleiht. Daneben sticht aus dem kompakten, bestens abgestimmten Bandgefüge immer wieder Gitarrist Kay Söhl heraus, der mit seinem Spiel je nach Stimmung alles zwischen elegischer Träumereien bis hin zu erdigen Riffs abdeckt. Interessant ebenfalls die stilistische Vielfalt der einzelnen Songs, welches in seinen Extremen vom leicht souligen "Strange emotions" bis hin zum typischen, sehr abwechslungsreichen 20-minütigen Prog-Longsong "Artifical paradise" reicht (u.a. mit einer Art Nu Metal Einlage), dazwischen aber jede Menge Facetten der progressiven Rockmusik von Ballade bis hin zu moderat verspielter Rhythmik abdeckt. Mit diesem Album werden sich Sylvan international bestens behaupten können und hoffentlich greifen auch die deutschen Fans beherzt zu - es lohnt sich!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002