CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Kaolin - 2001
(28:41, Privatpressung, 2001)

"Wir sehen uns als Independent und progressiv im Sinn von Ausprobieren, neue Kombinationen suchen. Unsere Songs entstehen aus langen Jam-Sessions, die völlig 'free' sind. Später versuchen wir allerdings das Ganze in eine kompakte Form zu bringen und verzichten in der Regel auf ausschweifende Soloparts und dergleichen. Die Resultate sind jedoch meist experimentell angehaucht.", so weit Michael Gallusser, der Schlagzeuger von Kaolin. Und wirklich, hört man sich die Mini CD des Ostschweizers Quintetts an, so schwebt in ihrer Musik wesentlich mehr mit, setzen sie sich über die üblichen Konventionen hinweg. Man merkt den 22- bis 25-jährigen Musikern an, dass sie in ihre Musik sehr viel Zeit investieren, dass sie sich weit ab von irgendwelchen aktuellen Strömungen bewegen. Zumindest eines haben die fünf inhaltlich unterschiedlichen Titel gemeinsam: sie sind von einer traurigen, melancholischen Stimmung durchzogen und das Tempo kann man eher als schleppend bezeichnen. Was die interessante Note an dieser Musik ausmacht, ist die lockere Verbindung von vielerlei Einflüssen. Inspiriert von Bands wie Massive Attack oder Portishead, verzichten Kaolin auf elektronische Beats, sondern bei ihnen legt ein "handgemachter" Rhythmus die Grundlage. Ob nun Alternative / Independent, etwas jazzige Passagen, mächtige Riffs, die unangekündigt über den Hörer hineinbrechen, selbst fast schon nordisch anmutende Stimmung, die stellenweise an Bands wie Landberk erinnern oder schräge Riffs in Frippscher Verspieltheit, alles hat hier seinen Platz, ohne dass es nach Willkür oder unaufgeräumt klingt. Wie so oft steht und fällt die Musik mit dem Gesang. Natasha Waters erweist sich hier als wahrer Glücksgriff, ihr fast schon flüsterndes, zurückhaltendes Timbre, der stellenweise an Björk erinnert, drückt der Musik einen unverkennbaren Stempel auf. Die Band arbeitet übrigens bereits am ersten, "richtigen" Longplayer, der im März nächsten Jahres fertig werden soll. Bei dieser Band darf man sicherlich mehr als nur ein offenes Ohr riskieren.

Kristian Selm



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