CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

Mangala Vallis - The book of dreams
(62:05, Tamburo Avapore Records, 2002)

Drei Jahre harte Arbeit stecken hinter "The book of dreams", einem Konzeptwerk, inspiriert durch die Geschichten und Bücher von Jules Verne. Als seine musikalischen Erben haben sich Gigi Cavalli Cocchi (Schlagzeug), Enzo Cattini (Keyboards) und Mirco Consolini (Gitarre, Bass) daran gemacht, sein Werk in einer entsprechenden Verpackung zu präsentieren. Dabei versuchen die drei den 70ern treu zu bleiben und mit Original Sounds und Instrumenten aus jener Zeit (z.B. Mellotron, Hammond Orgel, Rickenbacker Bass, Leslie Speaker), so wie in einer gefilterten Eigensicht, wandelt man auf den Pfaden der eigenen Vorbilder. Als Gäste hat sich das Trio namhafte Unterstützung fürs Mikrofon ins Boot geholt, denn neben Vic Fraja und Matteo Setti, leiht auch ex-P.F.M. und ex-Acqua Fragile Sänger Bernardo Lanzetti dem Projekt seine ausdrucksstarke Stimme. Daneben gibt es zudem noch Gastauftritte an Violine und Saxophon. Bisher gab es allerorten nur Lobenshymnen über dieses Album - öha, da ist ja die Erwartungshaltung schon mal enorm, mal schauen, was die Italiener einem da denn nun wirklich bieten! Nach dem obligatorischem, sphärischem Intro namens "Ouverture" - ein sachter Einstieg in ein Konzeptwerk hat sich eben bewährt - folgt mit "Is the end the beginning?" gleich ein fast knapp 10 Minuten langer Longsong, der als Paradebeispiel verdeutlich, wo die Stärken dieses Albums stecken, die die Lobeshymnen anderer Schreiberlinge auslösen, wo aber auch im Detail ebenfalls Kritik anzubringen ist. Zuerst wäre anzumerken, dass die Musiker ihr Handwerk ausgezeichnet verstehen, ebenso wechseln die Arrangements zwischen guten Gesangs- und interessanten Instrumentalteilen hin- und her. Zwar merkt man den Sängern den südeuropäischen Ursprung an, doch sind die Akzente keineswegs störend. Die musikalische Schiene mit 70s Sounds wird perfekt abgefahren, da schmalzt das Mellotron, die Hammond ächzt, der Bass wummert und die Gitarre jubiliert und schreit, dass es eine wahre Freude ist. Auch hat man keineswegs den Eindruck, dass dieses Projekt offensichtlich, wie bei einem gewissen Herrn Nolan, auf Erfolg und Fangeschmack zugeschnitten ist - denn die Produktion ist keineswegs glattgebügelt und steril, sondern man nimmt den Musikern den hörbaren Spaß beim Einspielen dieses Albums ab. Jede Menge Pluspunkte also und dies kann auch problemlos auf die anderen Songs angewandt werden, so dass man 60 Minuten besten sinfonischen, melodischen Progressive Rock geboten bekommt, der definitiv die breitere Masse der Proggies ansprechen und begeistern dürfte. Doch gibt es auch einige wenige Dinge, die dem Kritiker nicht ganz so gefallen und keineswegs unter den Tisch gekehrt gehören. Sicherlich darf man sich von seinen Vorbildern beeinflussen lassen, doch wie vor allem bei "The book of dreams" einfach "I know what I like" fast im Original beraubt wurde, ist mehr als nur augenzwickender Ideenklau. So findet man immer wieder kleinere Genesis Versatzstücke wieder, sei es ein paar Takte Mellotronakkorde von "Watcher of the skies", den Holperteil aus "Supper's ready" oder einige Töne aus "Firth of fifth". Zudem klingt das Saxophonsolo und seine umgebende Atmosphäre bei "Days of light" äußerst floydig und yesiges kann man hier und da auch entdecken. Okay, vielleicht bin ich da einfach eine Spur zu kritisch, denn im Großen und Ganzen kann man Mangala Vallis sicherlich Eigenständigkeit und den Willen zur eigenen Identität bescheinigen. Und da man handwerklich keineswegs meckern darf, auch wenn die Italiener gänzlich auf sperrige bzw. komplexe Teile verzichten, gehört "The book of dreams" sicherlich zu einer der berechtigten und sicheren Anwärter auf die Top 20, vielleicht sogar die Top 10 des Jahres.

Kristian Selm



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