CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)

Jannick Top - Soleil d'Ork
(68:19, Utopic Records, 1974-80)
Utopic Sporadic Orchestra - Nancy 75
(74:37, Utopic Records, 1974-76)
Vandertop - Paris 76
(61:00, Utopic Records, 1976)

Auf dem neuen Label Utopic Records liefert der französische Bassist Jannick Top einen Überblick über sein weitgreifenden Schaffenswerk, wobei mit den drei vorliegenden CDs der Anfang gemacht wird. In den 70er war sein Name vor allem mit einem Namen verbunden: der französischen Kultband Magma. Und so bieten die drei Silberlinge, mit teilweise Original Magma Besetzung, typischen Zeuhl - sprich endzeitartigen, kompromisslosen Jazz Rock voll sich steigernder Wiederholungen - die aber aus verschiedenen Gründen nicht unter dem Namen Magma aufgenommen und veröffentlicht wurden. Dabei haben alle Aufnahmen zwei Dinge gemeinsam: es handelt sich um in dieser Flom bisher nicht veröffentlichtes Material und bei der Soundqualität müssen, vor allem beim Livematerial, Klangverluste eingesteckt werden. Doch der manische Magma Sammler bekommt hier einige interessante Versionen bekannter Titel geboten, die wie fast immer bei den Franzosen, inhaltlich mehr bieten als nur einen nostalgischen Blick zurück in die Zeit. "Soleil d'Ork" umfasst die Zeit von 1974-80 und befasst sich zum Großteil mit Kompositionen, die Top Magma beisteuerte, wobei vor allem sein Hauptwerk "De Futura" in verschiedenen Extrakten immer wiederkehrt. So verbergen sich z.B. hinter den Titeln "Epithecantropus erectus" und "Utopia Viva" gekürzte Frühversionen einiger Teile von "De Futura", wobei bestimmte Passagen viel leichtfüßiger, wesentlich geradliniger klingen, als dass, was sich später in der endgültigen Studioversion auf "Üdü wüdü" wiederfindet. Neben den Magma Extrakten "Mekanik machine" und "Soleil d'Ork" zeigt Top zudem mit anderen Beispielen seine mystische Ader für Komposition, die nach trauriger, trister Endzeitstimmung bzw. unbekannten Welten jenseits unseres Kosmoses klingen. Auch auf "Nancy 75" steht "De Futura" wieder im Mittelpunkt, wobei es sich um Aufnahmen vom Jazz Festival Nancy Jazz Pulsations handelt. Es gibt sowohl die Probe, als auch die einen Tag später vor Publikum gespielte Version zu hören, eingespielt vom Utopic Sporadic Orchestra - über 50 Minuten die volle Dröhnung! Diese Besetzung verdient wirklich den Namen Orchester, denn insgesamt stehen 18(!) Musiker auf der Bühne, u.a. mit zwei Schlagzeugern (natürlich mit Christian Vander), Percussion, zwei Gitarristen, drei Keyboardern, sowie diverse klassische Streichinstrumente. Somit wächst "De Futura" zu einem gewaltigen Klangspektakel an, was zwar immer noch von seinem hypnotischen Groove vorangetrieben wird, aber daneben diverse musikalische Nebenkriegsschauplätze erhält. Bonusmaterial von verschiedenen anderen Liveauftritten aus der Zeit von 1974-76, aber in kleiner Besetzung, füllen die CD auf über 74 Minuten auf. Bei Vandertop spielt dann ein Großteil der damals aktuellen Magma Besetzung mit und neben dem Live Klassiker "Hhaï" gibt es eine über 25-minütige, sehr ekstatische Version wiederum von "De Futura", die anscheinend 2003 in seiner ultimativen Version veröffentlicht werden soll. Das eher selten gespielte "Troller Tanz" von "Üdü wüdü", so wie das apokalyptische "La musique des sphères", das in seinen 21 Minuten nach verhaltenem Beginn, sich typisch magmaesk steigert und einem fulminanten Bass / Schlagzeug Duell gipfelt, sind die weiteren Titel, dieses 1976 in Paris aufgenommenen Konzertes. Eine überaus interessante Werkschau, die einem wiederum eine neue Facette der äußerst vielschichtigen, sehr eigenen Magma Welt entdecken lässt.

Kristian Selm



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