CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)

Chris Opperman - Klavierstücke
(50:49, Purple Cow Records 2001)

Endlich ist es da, das lang angekündigte Piano-Solo-Werk des studierten Komponisten und Pianisten Chris Opperman. Sein erstes Album "Oppy Music Vol. 1" war ein Geniestreich zappaesker Musikkunst mit großem Sinn für Humor, angeknüpft an die Eckdaten des Jazz und Rock. "Klavierstücke" nun ist ganz anders geartete Musik. 18 Stücke füllen die CD. Kleine zerrissene Fragmente, abstrakte Figuren, arhythmische Disharmonien, skizzenhafte Tonfolgen - aber auch längere Stücke, die Einfluss aus der Romantik, dem Expressionismus, frühen Jazzintonierungen (etwa von Georg Gershwin) nachklingen, aber völlig anders strukturiert sind. Der Opener "The Jeans of R. Mattoon" ist so ein abstraktes Stück, das zum Ohrwurm wird und mit seiner kleinen spannenden Tonfigur ungemein fesselt. "T. Williams" ist wohl eine Liebeserklärung an Tricia Steel, die vor kurzem noch Williams hieß und nun verheiratet ist. Vielleicht darum sprüht der Song diese blumig-romantische Melancholie aus, sanft, leicht beschwingt, aber doch verloren. "Ballad of a rainy Sunday afternoon" setzt mit seiner schönen Melodie, die vor leichter Disharmonie nicht zurückschreckt und trotzdem sehr harmonisch wirkt, eine herb-melancholische Note. "Tunguska" ist ein sperriges Stück, wild wirft es sich ein und verliert sich in stillen, leichten Tönen. "Sophiaïs dream" hat wieder das blumige Flair, etwas zu stark verhallt, melodisch, verliebt. Es bezieht sich auf das erste Stück von "Oppy Music Vol. 1", ist aber quasi ein neuer Song, das Pianospiel lässt wenig Vergleich zu dem Jazzrock von Oppyïs erstem Album zu. Doch wie das Stück sich entwickelt, ist grandios. Über der melancholischen Figur der tiefen Saiten (linke Hand) improvisiert eine äußerst erregte Melodie (rechte Hand), die aufgewühlt von Sophias Traum berichtet. "Injun Joe!" bricht mit Melodie und setzt klare Jazztöne um. Die spannende Entwicklung der Komposition mit ihren kleinen agogischen Zentren, verhallten Kindlichkeiten und frechen Ausbrüchen ist allerhöchste Kunst. "Dance of the B. Pastries" und "Dodecahedron" sind aufgeregte, vielfältige Virtuositäten, während das sehr kurze folgende "An Anton Webern moment" gerade einen Akkord zulässt. Anschließend kommen "Six little piano pieces", die bekannte Melodien verändern, und einen kräftigen, aber sanften Ausdruck zulassen, der Oppy auszeichnet. "Melodious monk" birgt wieder diese zwischen Jazz und Klassik beheimateten Tonfolgen, in einer leisen Version. "Hüggenkiss" und das abschließende "...as if were made of glass" zeichnen melodische Melancholie, wundersam schön, still, aber keineswegs belanglos. Chris Opperman setzt sich ein frühes Denkmal, stürzt Grenzen ein und vermittelt mit der lebendig-spannenden Atmosphäre seiner Pianokompositionen große Kunst. Die Einspielung ist gleichfalls wundersam gelungen, dieses Album wird in der klassischen Szene einschlagen, wie sie die Rockmusik aufwühlen könnte, wenn die Industrie dies zulassen würde. Der Erfolg ist Chris gewiss, vielleicht nicht in großen Verkaufszahlen, dafür um so mehr in hoher Qualität und entsprechendem Dank der Fans und Hörer.

Volkmar Mantei



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