CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)
Rigel Michelena - Bartók's room
(49:31, Musea, 2001)
Da habe ich immer gedacht, dass ich mich in der südamerikanischen Progszene ganz gut auskennen würde, aber so manche Veröffentlichung stellt dann doch eine Überraschung dar. So zum Beispiel die CD des Venezuelaners Rigel Michelana "Bartók's Room". Bartók ist in diesem Fall der Name der Katze des Künstlers und in deren Raum entstanden wohl die insgesamt 10 Stücke des Albums. Rigel Michelena ist ein zumindest mir bis dato völlig unbekannter Multi-Instrumentalist, der im Alleingang, nur unterstützt an einen wenigen Stellen durch Bassisten und Keyboarder, ein sehr facettenreiches Album eingespielt hat. Schon der Opener "Artilugo" hat es in sich: Jazz-Rock vom Allerfeinsten, komplex und voller überraschender Wendungen, aber die Rhythmusgruppe bildet den wichtigen roten Faden, ohne den man sich leicht in der Komposition verlieren könnte. Gitarre und Keyboard liefern sich auch den nächsten zwei Titeln vertrackte Duelle, bevor "Song for Bartók" einen radikalen Stilwechsel einleitet. Nun steht die Akustikgitarre im Vordergrund, ein schon in der Grundform nicht einfaches Thema wird durch fortlaufende Variationen immer wieder neu erlebt, dazu kommen auch leichte südländische Einflüsse. Aber schon das nächste Stück, "Inside" führt in eine ganz andere Richtung. Über einem Keyboardteppich schwebt ein langes Gitarrensolo, das einen sanft fortträgt. Die Ruhe währt dann auch nur für kurze Zeit, denn die abschließenden, kürzeren Stücke fordern mit ihrer wilden Mischung aus Rock, Pop, Jazz, ja selbst metallischen Klängen den Hörer bis aufs äußerste. Imponierend ist die Lässigkeit, mit der Michelena das alles scheinbar mühelos aus dem Ärmel schüttelt. Dass dieses Album trotzdem nicht in höchste Bewertungen vorstößt, liegt im wesentlichen an zwei Dingen. Zum einen fehlt es mir dann doch etwas am Zusammenhalt zwischen den einzelnen Stücken, da besteht auch hin und wieder die Gefahr, die eigene Linie zu verlieren. Zum anderen muss auf den elektronischen Knüppelknecht hingewiesen werden, der sich gerade wegen der ansonsten guten Aufnahmetechnik als sehr störend erweist. Viele der Kompositionen schreien geradezu nach einem druckvollen Schlagzeug. Wirklich schade! Dennoch, beeindruckend ist dieses Werk trotzdem und ich möchte es allen empfehlen, die sich in den Grenzbereichen zwischen Jazz und Rock zu Hause fühlen.
Meinhard Foethke
© Progressive Newsletter 2002