CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)

King Crimson - Vrooom Vrooom
(59:32 + 68:41, DGM, 2001)

Kaum zu glauben, dass es bis weit in die neunziger Jahre praktisch keine Live-Aufnahmen von diesem musikalischem Chamäleon schlechthin gab, die zwei schnoddrigen Live-Alben "Earthbound" und "USA" aus den weit zurückliegenden 70ern ausgenommen (die demnächst adäquat ergänzt und remastered auf CD veröffentlicht werden sollen). Heuer gibt es eine ganze Reihe von Live-Alben, Live-Doppel- und Triple- Alben, dazu unzählige Collectors Club Releases; nahezu jede (Live-)Inkarnation der Band um Mastermind und Chefpsychopath Robert Fripp ist nun hinlänglich dokumentiert. Das sogenannte Doppel-Trio (zwei Drummer: Bruford & Mastelotto, zwei Basser: Levin & Gunn, zwei Gitarristen: Fripp & Belew, letzterer eben auch für die exaltierten Vocals verantwortlich) formierte sich 1994 und löste sich 1997 mitten in den Rehearsals zu einem neuen, möglichem Album auf, Levin und Bruford konnten oder wollten nicht mehr der von Fripp vorgegebenen Richtung folgen. Der Trennung vorausgegangen waren zwei Jahre intensiver Live-Präsenz mit ausgedehnten Tourneen durch Amerika und Europa in der Jahre 1995 und 1996. Nun wird die Lücke in der (Live-) Diskografie mit der Doppel- CD "Vrooom Vrooom" geschlossen. Sie dokumentiert diese sechs Ausnahmemusiker, die auf höchstem Niveau agieren: Das unerreicht rhythmische, komplexe und sehr eigene Spiel der Band wird in angemessener Weise festgehalten. CD1 präsentiert King Crimson 1996 live in Mexico, CD2 1995 live in New York City, beide Male ist die Band in absoluter Hochform. Die Setlists legen den Schwerpunkt auf das einzige Studioalbum dieser Inkarnation (Thrak, 1994), ergänzt durch einen großen Anteil von Stücken des 80er Jahre Crimso- Tryptichons (Discipline, 1981, Beat, 1982 und Three Of A Perfect Pair, 1984), abgerundet durch ein paar 70er Jahre Klassiker (das legendäre '21st Century Schizoid Man' in einer geradezu frenetischen Version etwa). Feinste Ware also, die durch die Bank weg druckvoller, energiegeladener, krachender, berstender oder schlichtweg besser, weil ausgereifter gespielt wird. Da stört es auch nicht, dass es sich gewissermaßen um recyceltes Material handelt, dass im Web, bzw. als Fan Club Release den Die Hard Freaks schon länger zugänglich ist. Dem normalen Musikliebhaber bietet sich mit "Vrooom Vrooom" nun die Möglichkeit, dieses faszinierende Live-Kapitel der Bandgeschichte wiederzuentdecken bzw. nachzuholen. Ein Muss für den Freak und ein exquisiter Einstieg in die wunderbare und makellose Live-Diskographie der Crimsos.

Sal Pichireddu



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