CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)
Amon Düül II - Phallus Dei
(58:34, Repertoire, 1969)
Amon Düül II - Tanz der Lemminge
(73:29, Repertoire, 1970)
Amon Düül II - Yeti
(68:42, Repertoire, 1971)
Die Re-Union des Jahres 2001 dürfte für die internationale Musikszene eine kleine Sensation gewesen sein. 25 Jahre nach dem Split haben sich die Original Mitglieder von Amon Düül II wieder vereint, einer der wohl bedeutendsten Krautrock-Acts der 70er. Nach ihrem Auftritt auf dem Cornberg Open Air im August diesen Jahres, haben Amon Düül II beschlossen im Januar / Februar auf Tour zu gehen, passend dazu, hat jetzt Repertoire die ersten drei Alben von Amon Düül II, ergänzt um diverse Bonustitel, wiederveröffentlicht. Entstanden aus der Musikantenkommune Amon Düül, entfernte sich die Nachfolgeband, die sich aus rechtlichen Gründen Amon Düül II nennen musste, von der vordergründigen Agitation hin zu fantasievollen Trips in Vergangenheit und Zukunft. Benannt nach dem ägyptischen Sonnengott Amon von Theben, sowie einer türkischen Phantasiefigur, ist es einem Titel des Schlagzeuger Peter Leopold zu verdanken ("Mama Düül und ihre Sauerkrautband spielt auf"), dass vor allem die Medien mit dem Oberbegriff "Krautrock" endlich eine neue Richtung für Rock aus Deutschland gefunden hatten. Herrlich ist vor allem auch, wie die Musik der in München lebenden Band, von den Herren Kritikern im eigenen Land niedergeschrieben wurden, während man besonders in England immer noch Kultstatus genießt. Hier ein Beispiel aus einem Rock Lexikon von RoRoRo: "Auf ihrem ersten Album "Phallus Dei" trugen sie elektronisch verfremdete Gregorianik-Gesänge in altertümelnden Deutsch vor, vermengten Reports von futuristischen Desastern mit alttestamentarischen Katastrophenberichten, taten sich schwer mit Rückkopplungseffekten, eigenbrötlerischen Klangzauber und biederen Kopien der Pink Floyd Musik. Ihre Konzerte überdehnten sie mit monotonen Schwelltönen und faden Akkordreihen, so dass die Kritiker bei ihrem ersten Auftritt zu den Essener Songtagen 1968 nur 'ein halbstündiges, musikalisches Nichts' registrierten." Harte Worte, aber dass kann man auch mal so sehen. Sicherlich ist die Musik von Amon Düül II eine sehr eigenwillige Mischung aus Psychedelic, Avantgarde und sehr eigenwilliger Lyrik, ein musikalischer Balanceakt zwischen musikalischem Anspruch, eigenem Können, sowie Naivität von Weltverbesserung, eine durch Einnahme von angeblich bewusstseinserweiternden Mitteln inhaltlich scheinbare Leere, nur getragen vom eigenen Empfinden. So eigenartig wie dieser Satz, so eigenartig auch die Musik, doch kann man diesen Reisen zu fremden Ufern einen gewissen Reiz nicht absprechen. Gerade die Frühphase der Band - aus der diesen drei Alben stammen - lebt von ausschweifenden Improvisationen, die mit treibenden Rhythmen fast endlos vorangetrieben werden. Darüber spielt sich vor allem die Gitarre, aber auch die Geige in einen geradezu ekstatischen, oftmals sehr fremdartig, fast schon orientalisch klingenden Rausch. Dagegen sind die "Gesangs"einlagen von Renate Knaup nichts anderes, als eine fast völlig danebenliegende Aneinanderreihung von irgendwelchen Tönen, die wie eine abgedrehte Form des Soundtracks zu Roman Polanskis Klassiker "Tanz der Vampire" klingen. Auch die sonstigen Vokalaktionen in englisch sind stark akzentbelastet. Doch schälen sich immer wieder prägnante Psychedelic Einlagen heraus, die in ihrer Intensität berühren und aufwühlen, auch wenn der typisch teutonische Ernst und eine gewisse Bedeutungsschwangerheit fast jegliche Lockerheit vermissen lassen. Im Vergleich der einzelnen Scheiben klingt "Phallus Dei" zwar noch unfertig und auf der Suche nach einem eigenen Profil, aber die Stärke dieser Scheibe liegt in der Rauheit, der Fremdartigkeit und den langen, ausufernden Jams. Das ursprünglich als Doppel LP veröffentlichte Album "Yeti" versucht mehr eine Mitte aus experimentellen und eingängigeren Ideen zu finden. Das Album klingt im Gesamteindruck ausgewogener, eigenständiger, auch wenn es natürlich wieder vom typischen Amon Düül Psychedelic / Kiffer Sound und ellenlangen Improvisationen getragen wird. "Tanz der Lemminge" wirkt im Gegensatz dazu wesentlich songorientierter, melodischer, rockiger. Die solistischen Ausflüge, der innere Aufbau klingen wesentlich strukturierter, geschickt wird mit Atmosphäre und Dramatik gespielt, den Songs eine ansteigendere innere Spannung verliehen. Eine interessante Zeitreise.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002