CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)

Convivència Sagrada - Convivència Sagrada
(61:37, Pez, 2001)

Ah, was für eine Wohltat, endlich mal wieder richtiger Progressive Rock! Nachdem in den letzten Tagen in meinem CD Player die Heavy Rotation wörtlich zu nehmen war - sprich es gab nur kräftige Prog Metal / Heavy Mucke zum Hören und Kritisieren - folgen nun zur Abwechslung mal wieder etwas moderatere Klängen aus Südamerika. Doch keine Angst, kein der für viele Ohren typische Weichspül-Prog aus Brasilien, es geht zu den südlicheren Nachbarn nach Argentinien, die wesentlich heftiger drauf sind. Wenn man nicht wüsste, dass es sich bei dem titellosen Debüt von Convivència Sagrada - übrigens in einem wunderbaren Digipack verpackt - um eine aktuelle Band handelte, so würde man dieses Album mit ziemlicher Sicherheit zurück in die 70er datieren. Kommt die Scheibe am Anfang noch etwas verhalten, fast verschlafen aus den Startlöchern, ist der Opener "Sveglia" eine Spur zu schlampig gespielt, hört man bereits ein deutliches Merkmal der Musik von Convivència Sagrada, nämlich die Hinzunahme von diversen Blasinstrumenten, die sich hier noch recht sinfonisch geben. Doch bereits beim folgenden "Sol, un fantasma en la ciuada" - an den spanischen Titeln erkennt man bereits, in welcher Sprache auch hier gelegentlich mit leicht nörgelnder Stimme gesungen wird - klingt das 70's Feeling in Atmosphäre und Intonierung schon wesentlich authentischer. Doch spätestens mit Titel 3 wird klar, wohin die wirklich Reise geht. Das Saxophon spielt sich auf einmal in eine führende Rolle und die solistischen Schlenker werden wesentlich jazziger, aber dennoch bleibt der Unterbau teils im Prog, teils im Folk verhaftet. Die Musik bekommt wesentlich mehr Ecken und Kanten, der Rhythmus wird expressiver, sperriger, die Gitarre härter, schräger und mit ungebremster Energie nimmt die CD auf einmal Canterbury-artige Elemente immer mehr auf, die sinfonischen Parts werden durch jazzige Soli am Saxophon abgelöst. Schwachpunkt bleibt der Gesang, während sich die instrumentale Fraktion immer mehr steigert und geschickt die sinfonischen und jazzigen Elemente verbindet, somit gleichzeitig melodisch, eingängig bleibt, sich aber ebenfalls Raum für sprunghafte Soloparts lässt. Eine interessante neue Band, die einmal mehr manifestiert, dass zwar momentan der Grossteil der südamerikanischen Bands aus Brasilien kommen, die interessanteren, anspruchsvolleren Acts aber in den Nachbarstaaten zu finden sind.

Kristian Selm



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