CD Kritik Progressive Newsletter Nr.36 (07/2001)

Seven Reizh - Strinkadenn
(73:42, Privatpressung, 2001)

Beim weiter vorne bereits erwähnten Prog-Festival in Verviers fiel uns während des Vortrags der zweiten Band auf, dass immer wieder Leute mit einer Art Buch zu einem bestimmten Tisch gingen und sich das Teil signieren ließen. Nun ist der Proggie an sich von Natur aus neugierig (mit Betonung auf Gier?), also haben wir uns in der nächsten Umbaupause schlau gemacht: es handelte sich um die Debüt-CD der bretonischen Formation Seven Reizh. Ein bemerkenswertes Album, das wird schnell klar, denn die Aufmachung ist gigantisch. Das einzig Vergleichbare, das mir hierzu einfällt, ist das Greenslade/Woodruffe-Album aus den 70ern. Sehr, sehr aufwendig von einem gewissen Gerard Le Dortz gestaltet, was zur Konsequenz hat, dass der Preis entsprechend hoch sein muss. Und irgendwie ist klar: so toll die Aufmachung ist (erinnert mich stellenweise an die 70er Formation Gryphon), es ist von vorne herein kaum möglich, die entsprechenden Erwartungen an die Musik zu erfüllen. Die vielen Seiten beinhalten viel Text, alles in Bretonisch und daher für unsereins nicht verständlich. Die bange Frage also: welche Musik ist zu erwarten und wie hoch ist der Gesangsanteil? Die zu erahnenden Informationen lassen mich einen nicht unbeträchtlichen Folkanteil vermuten. Eine Frage an die Musiker, wo das Ganze in etwa anzusiedeln ist, und es fallen Begriffe wie Marillion, Floyd, Oldfield. Und so ganz falsch liegen sie damit nicht, aber grob sind sie erst einmal in die Symphonic-Folk-Prog-Ecke einzuordnen. Als Anhaltspunkte fallen mir diesbezüglich XII Alfonso, Stivell ein. Aber der 10-minütige Eröffnungstitel "Selaou" klingt beispielsweise tatsächlich ein wenig nach Marillion. Doch schnell wird klar, dass es sich hierbei nicht um ein weiteres, typisches Neo-Prog-Produkt handelt. Dazu ist der Folkanteil viel zu hoch. Es gibt sehr schöne Keyboard- und Akustik-Gitarren-Passagen, die E-Gitarre klingt auch mal nach Oldfield oder auch Gilmour. Die Stimme von Sängerin Bleunwenn ist recht angenehm, und der Kopf der Band, Gitarrist/Keyboarder Claude Mignon, weiß sehr gut, eine stimmige Atmosphäre zu schaffen. Die Folkparts werden des öfteren von Dudelsack und Blasinstrumenten dominiert, auf "Linvadenn" wird's auch mal recht orientalisch. Allein durch die Sprache bleibt ein gewisser Exoten-Touch immer vorhanden. Die Bandbreite wird am besten auf dem abschließenden "Mall eo monet da Ys" (was immer das auch heißen mag) deutlich. Für den Freund symphonischer Folk-Prog-Musik möglicherweise ein interessantes Werk, aber durch die ungewöhnliche Covergestaltung ein sehr teures Vergnügen. Wer wagt's? Und wo kann man dies überhaupt bestellen? Vermutlich hierzulande nur über die Band selbst.

Jürgen Meurer



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