CD Kritik Progressive Newsletter Nr.36 (07/2001)
Ram - Where? (In conclusion)
(40:53, Si-Wan, 1972)
Als alter Vinylsammler habe ich mir mit der Zeit angewöhnt, die Kataloge der einschlägigen Vinylanbieter genau zu studieren. Viele Vinylversionen kann man zwar kaum noch bezahlen, immerhin kann man sich aber gewisse Bands bzw. Alben schon mal vormerken und abwarten, bis sie auf CD wieder veröffentlicht werden und damit auch bezahlbar sind. So geschehen mit dem vorliegenden Ram-Album. Ich zitiere mal die Beschreibung dieses Albums in einem der typischen Vinyl-Verkaufs-Kataloge: "getting rare and soughtafter US heavy prog/psych gem; 5 long tracks (even 1-sided track), with psych overtones, complex arrangements, flute, tons of mellotrons and ultra vicious guitarleads", Preis: natürlich im dreistelligen Bereich. Ich gebe zu, dass ich dahingehend recht simpel gestrickt bin, dass ich auf den Hinweis "tonnenweise Mellotron" sofort anspringe. Allerdings hat mich die Erfahrung gelehrt, solcherlei Aussagen mit Vorsicht zu genießen. Aufgrund der vorliegenden Beschreibung habe ich mir den Namen Ram im Hinterkopf behalten und, nachdem ich von der CD-Wiederveröffentlichung erfahren habe, bei der nächsten günstigen Gelegenheit natürlich sofort zugegriffen. Nach dem ersten Durchgang war ich einigermaßen enttäuscht, doch nicht wirklich überrascht, dass die Beschreibung des Händlers z.T. recht weit daneben lag. So gibt es auf diesem 72 aufgenommenen Album z.B. noch nicht einmal ein Milligramm Mellotron, genauso gut hätte er schreiben können, die Platte sei Akkordeonlastig. Überhaupt finden Keyboards fast gar nicht statt. Federführend ist die Gitarre. Die Nummern der ersten Seite sind recht simpler Natur, wenngleich ich zugeben muss, dass mir beim zweiten Hördurchgang die kurzen Einlagen, die in den 08/15-Songs eingebaut sind, einigermaßen gefielen. Recht nett ist der Flöten-betonte 3:41-Titel "Odyssey" (einer der 5 Longsongs also!). Kernstück ist das knapp 21-minütige "Aza", das zugegebenermaßen recht gut gelungen ist. Speziell die Art des Saxophon-Einsatzes erinnert mich bisweilen stark an Van der Graaf Generator zu seligen "Pawn hearts"-Zeiten (beachte: nicht der Gesang!), allerdings gehen einige Soloeinlagen des Gitarristen doch ein wenig arg auf die Nerven. Fazit: "Where? (In conclusion)" ist alles andere als ein mellotron-betontes Symphonik-Rock-Album, "psych overtones und vicious guitarleads" im typischen Früh-70er-Stil trifft's schon eher.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2001