CD Kritik Progressive Newsletter Nr.36 (07/2001)

Kalacakra - Crawling to Lhasa
(53:35, Garden Of Delights, 1972)

Kalacakra (das c wird wie tsch ausgesprochen) heißt aus der tibetanischen Übersetzung ins deutsche: "Rad der Zeit". Inspiriert von der ursprünglichen Kultur Tibets, vermischt mit Hang zu orientalischem und indischen Einfluss, spielte das Duo Claus Rauschenbach (Gitarre, Congas, Percussion, Gesang, Mundharmonika) und Heinz Martin (Gitarre, Flöte, Klavier, Vibraphon, Schalmei, Cello, Violine, Synthesizer) Anfang der 70er ein wunderbar psychedelisches Kleinod ein, welches in der Original Vinylversion inzwischen knapp vierstellig DM Werte erzielt. Interessant auch, dass beide Musiker nie Tibet besuchten, ihre Musik aber sehr stark aus jenem Kulturkreis beeinflusst ist. Mehr zu Bandgeschichte im wie immer vorbildlichen von Garden Of Delights recherchierten Booklet. So sind die Lieder auf mehr als der ersten Hälfte der Platte wie eine Aneinanderreihung eines monoton-repetiven indischen Ragas. Befremdlicher "Gesang", sprich undeutliche Wortfetzen, Schreie, mystische Soundgemälde von Trommeln leise vorangetrieben, von Flöte umspielt, üben eine ganz eigene, seltsame Faszination aus. Die Reise geht in die weite Ferne - schließt man die Augen so schwebt der Geist durch Indien und Tibet, wird durch Worte wie "Morgen kommt die schwarze Pest" aber immer wieder verstört, verschreckt. Eigenwillig, aber auch gleichzeitig hörenswert, sofern man sich auf dieses Experiment einlässt. Nach dem Ausflug in fremde Sphären folgt der plötzliche Bruch. Die zwei die ursprünglichen die LP beschließenden Titel stehen auf einmal in reiner Bluestradition, auch wenn es sich mehr um etwas durchgeknallten Psychedelic Blues handelt. Dafür gibt es mit den komplett nur von Heinz Martin eingespielten zwei Bonustiteln aus dem Jahr 1993 mystischen, äußerst interessanten, psychedelischen Space Rock, der mit Anleihen an Ozric Tentacles oder Mandragora aufwartet. Dieses Album zu bewerten, fällt sehr schwer, da es sich musikalisch in drei, sehr unterschiedliche Teile aufspalten lässt, die zwar irgendwie von der Stimmung und Einstellung zusammenhängen, musikalisch aber ganz anders angelegt sind.

Kristian Selm



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