CD Kritik Progressive Newsletter Nr.35 (05/2001)

Hagen - Corridors of time
(59:08, Angular Records, 2001)

"Don't judge a book by its cover" - dieser alte Spruch trifft auch glücklicherweise beim Debüt von Hagen zu. Die Schweden bieten nämlich keineswegs leicht martialisch angehauchten Fantasy-Speed-Metal, sondern mischen äußerst geschickt klassischen Hard Rock mit skandinavischer Folklore und progressiven Elementen. Mal richtig wütend und heftig, dann wieder elegisch verträumt, irgendwo zwischen diesen Gegensätzen pendelt "Corridors of time", ohne dabei die innere Balance zu verlieren. Jedoch sorgen noch weitere Verfeinerungen und Details dafür, dass Hagen nicht nach beliebiger Einheitskost klingen. Alles fing damit an, dass Bassist Hans Rosén seinen Bruder Anders dazu brachte seine Geige durch ein Gitarren-Effektgerät zu spielen. Somit war schon mal ein sehr eigenwilliger Geigensound geboren, der Grundstein für den heftigen Hardrock und flotten Folk gelegt. Mit dem Gitarristen Per Nilsson fand man einen ansprechenden Saitenvirtuosen, als Keyboarder konnte zudem der ex-Kaipa Tastenmann Hans Lundin gewonnen werden, der so richtig schön angestaubte Hammond- und Mellotronsounds reproduzierte. Der hervorragende, etwas an Kansas Steve Walsh erinnernde Sänger Michael Ohlsson, sowie Schlagzeuger Patrik Jansson vervollständigten schließlich das Line-Up. Trotzdem es bei Hagen meistens sehr direkt abgeht, was auch an manchen Stellen, so wie beim Anfang von "For Kristina", in übles Geknüppel ausarten kann, wird vor allem durch das eigenartig klingende Gefiedel immer wieder der Brückenschlag zur trinkfreudig anmutenden Folklore gefunden. Nicht von ungefähr werden durch die prägnante Stimme des Frontmanns und wildes Gegeige Erinnerungen an die rockigere Seite von Kansas geweckt, auch klingen manche Passagen so richtig fett nach Rainbow. Doch beweist zudem der sehr verträumte Opener, die Kaipa Coverversion "Summer air" oder die Ballade "The northwinds blow", dass auch im Herzen eines Rockers noch sentimentale Gefühle schlagen. "Corridors of time" ist eine richtig gute, solide Rockscheibe der alten Schule. Geradeaus, ehrlich, aber dennoch immer wieder verspielt und irgendwie auch typisch skandinavisch. Irgendwie erfrischend nach so viel Prog Metal Geknüppel, dass es auch noch eine Spur erdiger und weniger technisch geht.

Kristian Selm



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