CD Kritik Progressive Newsletter Nr.35 (05/2001)

Ergo Sum - Ergo Sum
(29:47, Privatpressung, 1997)
Ergo Sum - Mixolidio
(52:12, Privatpressung, 2000)

Wirklich immer wieder interessant, was Kollege Juan aus Chile für CDs über den großen Teich schickt. Sind die brasilianischen Progbands mir doch meist eine Spur zu seicht, so gibt es bei den chilenischen Pendants schon viel mehr nach meinem Gusto zu entdecken. Und so reihen sich auch Ergo Sum nahtlos in die Reihe von interessanten Bands aus Chile ein. Ihr Debüt ist eine rund dreißigminütige Mini CD, auf der sich sechs Titel von sehr unterschiedlichem Charakter tummeln. Ob Prog Rock, Heavymucke, leichter Funkeinschlag, Jazz Rock oder Folk, Ergo Sum ist keines dieser Terrains unbekannt. Wie auch andere Bands aus deren Heimat, verzichten sie zudem sowohl auf Gesang, als auch auf Keyboards. Doch dafür spielen Gitarre und vor allem die Querflöte die dominierenden Rollen, was für ein recht prägnanten Höreindruck sorgt. Die Formel rockige Flöte = Jethro Tull liegt natürlich nahe, und sie trifft sicherlich hier und da zu. Da jedoch die Gitarre wesentlich härter als Gegenpol dagegenrockt, Ergo Sum im Gesamteindruck heftiger, aber auch stilistisch nuancenreicher agieren, wird dieser Eindruck wieder verwässert. Mal sind es beschwingte progressive Notenhüpfer ("Angel"), Heavy Rock à la Satriani und Konsorten ("Ofuscado", "Power II") oder folkloristische Sprenkler ("Punta da Dama"), die die Musik von Ergo Sum abwechslungsreich und nie langweilig erscheinen lassen. Bin schon recht gespannt, wie der Nachfolger wohl geraten ist. Was für ein gewaltiger Schritt nach vorne - die gehobene Erwartungshaltung gegenüber "Mixolidio" wird vollkommen bestätigt. Und dies hat mehrere Gründe: zum einen hat die Band Pau Sañartu (Percussion) durch Gonzalo Muga (Schlagzeug, Vibraphon, Synthesizer) ersetzt. Allein beim Blick auf die neue instrumentale Bandbreite wird klar, was klanglich zu erwarten ist, denn sowohl Vibraphon, als auch der Synthesizer sorgen für ein ganz anderes Soundspektrum. Aber es sind noch zwei weitere Dinge, die Ergo Sum auf eine ganz andere Ebene heben: die Band hat im Zusammenspiel einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht und sie hat vor allem gelernt wunderschöne Melodien zu schreiben und zu spielen. Die Arrangements klingen wesentlich offener, dramatischer, aber auch zugänglicher, nicht mehr so sperrig und technisch, wie auf dem Debüt, Ergo Sum haben die melodische Seite der Musik entdeckt. Interessanterweise handelt es sich bei diesem Album zur Hälfte um Studio- bzw. Livematerial, wobei die Liveaufnahmen eine Spur härter, direkter, geradliniger, deutlich auf die Gitarre zugeschnitten daherkommen. Brillant mixen Ergo Sum harte und weiche Elemente, scheinbar gegensätzliche Inhalte zusammen. Druckvolle Gitarrenriffs treffen auf fröhliche Flötentöne, als Bindeglied dient mal das Vibraphon, mal das Saxophon als Gastinstrument - nicht gekünstelt, sondern ganz natürlich fließen die verschiedenen Pole ineinander. Doch gerade dann wenn man sich scheinbar an diesen gekonnten Stilmix gewohnt hat, kommt auf einmal ein verträumtes Akustikstück, ein euphorisches Gitarrensoli voll Harmonie und Schönheit - setzt dem schein- und hörbar "Hässlichen", Melodik und traumhafte Leichtigkeit entgegen. Nach der Devise "Weniger ist mehr" gelingt es Ergo Sum so auf die gesamte Spielzeit der CD betrachtet, einen ausgewogenen Charakter zu erschaffen, das Album als ein Gesamtwerk mit allen Höhen und Tiefen leben zu lassen. Interessanterweise gibt es auf "Mixolidio" keinen neuen musikalischen Erkenntnisse, doch die Mischung stimmt. Im Studio erinnern stellenweise Ergo Sum etwas an Isildurs Bane, wobei schon durch die Gitarre die Musik wesentlich mehr Härte hat, die Liveaufnahmen sind mehr dem Dunstkreis des progressiven Hard Rocks entliehen. Ein beachtenswertes Kleinod, ein Meisterwerk für offene Ohren, mehr davon!!

Kristian Selm

Vertrieb: Mylodon Records, email: juan-barr@chilesat.net

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