CD Kritik Progressive Newsletter Nr.33 (12/2000)

Sven Grünberg - Hingus
(46:53, Boheme, 1980)
Sven Grünberg - Om
(42:20, Boheme, 1988)

Nachdem der estische Komponist und Keyboarder Sven Grünberg bereits Mitte der 70er zusammen mit der Band Mess eines der schönsten sinfonischen Werke aus der ehemaligen Sowjetunion aufnahm, wanderte er danach hauptsächlich auf Solopfaden. Er schrieb Musik für Theatervorführungen und Filme, wobei sein Streben immer darin bestand, visuelle Bilder durch Klänge, Assoziationen in Verbindung mit der Natur zu erzeugen So sind auch die zwischen 1978 und 1980 entstanden Kompositionen auf "Hingus" mehr ein Soundtrack für den Kopf. Orgelklänge aus fernen Galaxien, sphärische Harfenakkorde und Synthieorgien voll Dramatik und tiefgründiger Emotionalität. Rhythmen kommen nur sehr selten vor, es sprechen fast alleine die Elektronen in jubilierender Dramatik. Wie aus ein anderen Welt füllen die Klänge den Raum aus, wobei sie je nach eigenem Gefallen wie ein Rausch wirken oder einfach nur pathetische Langeweile erzeugen. "Hingus" beinhaltet Soundkaskaden, die man mögen muss, ansonsten bleibt eben nur ein fader Beigeschmack. Hinter den zwischen 1981 bis 1987 komponierten und aufgenommenen vier Titeln von "Om" verbirgt sich die Geschichte, dass dies die erste Silbe war, welches menschliche Wesen in grauer Vorzeit angeblich aussprechen konnten. "Om" symbolisiert die Ganzheit und Einheit der menschlichen Existenz an sich. Und so versucht dieses Album mit Instrumenten aus Europa, China, Indien und Tibet und anderen Teilen der Welt eine homogene Mischung zu erschaffen, eine weltumgreifende Musik, in der sich alle Menschen und Kulturen wiederfinden. Was etwas abgehoben und nach großen Ambitionen klingt, wirkt in der Umsetzung doch weit weniger spektakulär, als die von Grünberg noch auf "Hingus" geschafft wird. Neben verschiedenen Percussionsinstrumenten, sorgen vor allem sorgsam angelegte Keyboardflächen für harmonische Stimmungen. Mit fragilen Songaufbau versehen, schwellen spannungsgeladene Akkorde langsam an- und wieder ab, die vier Songs wirken wie ein stetiger Fluss voll Harmonie, in den Arrangements aber auch manchmal zu beliebig auf Länge gedehnt. Stilistisch kann man diese beiden Werk am ehesten in die New Age Schublade, Richtung Kitaro, Gandalf oder frühe Vangelis Werke stecken, doch bedeutet dies nicht, dass sowohl "Om", als auch "Hingus" nur nach bedeutungsschwangerer Leere klingen, obwohl man sich hier und da etwas mehr straffenden Gehalt gewünscht hätte. Die sparsamen, minimalistischen Arrangements leben vor allem von den spannungsgeladenen sinfonischen Klangteppichen, die in der Unendlichkeit verhallen, aber doch voll langatmiger Schönheit sind.

Kristian Selm



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