CD Kritik Progressive Newsletter Nr.2 (01/95)

Il Trono Dei Ricordi - Il Trono Dei Ricordi
(55:51, The Labyrinth, 1994)

Für mich teilte sich bisher der moderne Italo Prog in zwei Lager: auf der einen Seite die Gruppen, die eine aggressivere und komplexere Spielart bieten wie z.B. Asgard, Calliope oder Deus Ex Machina. Auf der anderen Seite befinden sich Gruppen, die melodiös, aber für meinen Geschmack, etwas zu harmlos oder meist langweilig klingen. Hier nenne ich lieber keine Beispiel, um nicht von irgendwem anonyme Drohbriefe zu erhalten. Il Trono Dei Ricordi hingegen lassen sich schon schwerer in dieses Muster einordnen. Zwar ist die Musik ansatzweise sehr sinfonisch und melodiös, was die Keyboards und Klangstruktur angeht. Dagegen bietet die Arrangements auch anspruchsvollere und dynamische Liedteile. Was weiterhin angenehm auffällt, ist der fast akzentfreie englische Gesang, welcher gerade bei italienischen Gruppen selten genug vorkommt. Daneben führt auch die Spielweise der Musik dazu, dass die Italiener eher wie Engländer klingen. Ihre Musik ist stilmäßig neo-progressiv, also vor allem klanglich eine Weiterentwicklung zum typischen Prog Rock der 70er Jahre. Der Gesamtsound ist modern und z.B. bietet ein kurzer Einsatz eines Saxophons eine interessante klangliche Ergänzung. Hauptsächlich wird die Musik aber von Keyboards und Piano geprägt und ist somit eher traditionell. Die Ursprünge der Gruppe werden nicht verleugnet, gerade die Bilder im Booklet lassen den Bezug auf die 70er deutlich werden: Kostüme à la Genesis und dichter Bühnennebel zeigen die Vorliebe für die Vergangenheit. Die vier Stücke auf der CD glänzen durch Überlänge: drei der vier Stücke sind jeweils zwischen 11 und 20 Minuten lang, bieten damit also genug musikalischen Freiraum. Somit sind für mich Il Trono Dei Ricordi eine Gruppe, die zwar prinzipiell nichts grundlegend Neues bietet, aber dennoch genügend musikalisches Potenzial besitzt, um abwechslungsreich zu klingen und ihr Dasein zu rechtfertigen.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1995