CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)
Ritual - Superb birth
(52:24, Privatpressung, 1999)
Fast fünf Jahre ist es jetzt auch schon wieder her (Wahnsinn, wie die Zeit vergeht!), dass Ritual ihr namenloses Debüt veröffentlichten. Bereits damals sorgten sie für erhebliches Aufsehen, verstanden es die Schweden doch geradezu in Perfektion Progressive Rock, Folk und Rock in mitreißender, eingängiger Form zu verbinden, was vom Gesamteindruck her auf jeden Fall auch ein breiteres Publikum ansprach. Dazu konnten sie ebenfalls bei diversen Möglichkeiten ihre professionellen Livequalitäten beweisen, auch wenn Sänger Patrik Lundström (spielte u.a. bei Musical Hair mit und gewann 1997 die Vorentscheidung für den schwedischen Beitrag beim Grand Prix d'Eurovision(!)) an manchen Stellen doch zu arg den Star heraushängen ließ. Nun hätte das Quartett natürlich auf Nummer Sicher gehen können und einfach eine Fortsetzung des Erstlings hinzaubern können. Doch weit gefehlt, Ritual haben sich weiterentwickelt, auch wenn dies sicherlich einigen nicht schmecken mag. Bei "Superb birth" setzt man hauptsächlich auf kompakte Songs im Vierminutenbereich, die deutlich songorientierter sind und fast vollständig auf Soli verzichten. Kaputte Sounds (der Opener "Dinosaur spaceship" erinnert vom Klang her an U2's "Achtung Baby") und kerniger, aber intelligent zusammengezimmerter Rock in Liveatmosphäre, der mal grungig wirkt, dann wieder richtiges 70er Feeling oder auch Proggiges herüberbringt, sorgen für einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Man vermisst zwar etwas die Leichtigkeit des Vorgängers, wie man auch Übersongs im Stil von "Big black secret" oder "Solitary man" auf dieser Scheibe nicht findet. Beim ersten Hördurchgang macht sich sogar leichte Enttäuschung breit. Doch "Superb birth" muss man Zeit zum Wachsen geben, deswegen ist mehrfaches Anhören Pflicht. Und siehe da, die kurzen, aber manchmal auch sperrigen Lieder entfalten langsam ihre Qualität, gewinnen an Wärme und auch die interessanten Melodien bohren sich immer mehr ins Gedächtnis. So wird aus den zwölf Liedern ein sehr guter, äußerst erfreulicher zweiter Versuch, der Ritual von einer etwas anderen Seite präsentiert, mit der man sich aber ebenfalls anfreunden kann. Etwas Schade nur, wenn man weiß, was einem entgeht, wenn man die über zehnminütige, mit einem unglaublich intensiven Gitarrensolo versehene Originalversion von "Do you want to see the sun" kennt, die 1996 auf dem Burg Herzberg Open Air zum morgendlichen Sonnenaufgang gespielt wurde und sich jetzt mit einer gerade mal vier Minuten langen Kurzversion abspeisen lassen muss. Doch muss man akzeptieren, dass diese Band viele Qualitäten besitzt, sich aber nun für einen geradlinigeren Weg entschieden hat.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2000