CD Kritik Progressive Newsletter Nr.28 (12/1999)

Zen Carnival - Inheritence
(46:43, Privatpressung, 1999)

Nach dem Untergang des britischen Prog Empires übernehmen die U.S.A. neben Skandinavien immer mehr die Vorreiterrolle im Progressive Rock. Doch vieles bezieht sich natürlich immer noch auf das, was einst Anfang der 70er seinen Ursprung in "good old England" nahm, und danach die Welt infizierte. Zen Carnival aus Bosten sehen sich nun als Vertreter des "Modern Progressive Rock". Das stimmt in der Weise, als dass ihre Sounds wesentlich zeitgemäßer, die Arrangements eine Spur geradliniger klingen. Doch klingen deutliche Vergleiche zu Genesis, Pink Floyd oder Marillion durch. "Na, und was ist daran nun aufregend, das trifft doch bei den meisten Bands zu, nur dass sie wesentlich origineller als das Original klingen?" höre ich die Massen schreien. Aber Gemach, jetzt wird's konkreter. Bei den Genesis der späten 70er wurde sich in den verspielten Phasen bedient, wobei aber die solistischen Ausflüge deutlich der inneren Songstruktur untergeordnet sind. Pink Floyd Feeling kommt in einigen gefühlvollen Gitarrenparts auf, doch am prägnantesten ist der Vergleich zu Marillion. Zum einen klingt Frontmann Ken Pfeifer wie ein um eine Spur gequälterer Steve Hogarth und auch in den Arrangements hat man sich aus der Marillion Hogarth-Phase hier und da bedient. Im Gegensatz zum amerikanischen Prog Durchschnitt ist die Klangqualität leider etwas dumpf und unausgewogen, aber durchaus akzeptabel. Von der Begeisterung her haben Zen Carnival etwas den "Timothy Pure Effekt". Insgesamt ist die Musik recht nett, sehr melodisch, eingängig, weist auch einige Kanten auf, aber irgendwie haut sie einen nicht so recht vom Hocker. Hört man sich aber mehrmals durch die CD (5 Lieder alle im Longsongbereich von 5 - 14 Minuten), so gewinnt sie immer mehr und lässt einen nicht mehr los. Zen Carnival schaffen dies zwar nicht ganz so wie mitreißend wie Timothy Pure, doch wenn mal etwas in sphärischen Gefilden umhergesegelt oder auch gebreakt und solistisch sinfonisch schwadroniert wird, dann gewinnt ihre Form von modernen Neo Prog an beachtlicher Qualität. Kein Meilenstein der Geschichte, aber sicherlich eine Band, die man im Auge behalten sollte und die für ihren musikalischen Bereich ein ansprechendes Debüt abgeliefert haben.

Kristian Selm

Kontakt: Michael James, 54 Westland Avenue #10, Boston MA 02115, U.S.A.

© Progressive Newsletter 1999