CD Kritik Progressive Newsletter Nr.28 (12/1999)

Relayer - Last man on earth
(64:43, Rect Angular, 1999)

Zahlen über Zahlen: drei Jahre ließen sie sich die vier Jungs von Relayer Zeit für ihr drittes Album, dem zweiten Album für Angular Records, wobei "The last man on earth" das erste Album des neuen Sublabels Rect Angular ist. Doch "Last man on earth" ist noch viel mehr. Es ist der Beweis, wie man frisch, lebendig und neu klingen kann, ohne auf die progressiven Wurzeln zu verzichten. Relayer klingen nicht wie ein Aufguss von den ewig gleichen Klischees, ihnen gelingt es überzeugend eigene Wege zu finden. Für den nächsten Schritt, nämlich schon beim ersten Anhören den "Aha-Effekt" zu erzeugen, ist Potential vorhanden, bei "Last man on earth" will dies aber noch nicht ganz gelingen. Interessant ist die ausgereifte Mischung aus Elementen des melodischen Progressive Rocks und ausgefeilter Rockmusik aber allemal. Stilistisch zerfällt das Album in mehrere Teile. Zum einen gibt es gewohnten sinfonischen Neo Prog ("Change for less"), der aber mehr als nur tausendmal gehörte Keyboardläufe und juchzende Gitarren bietet. Bei Relayer geht es straight in die 90er, aber man merkt immer noch deutlich woher die Ursprünge kommen. Daneben saftige Rocker mit atmosphärischen, spacigen Elementen ("Paint me read", "Take a look", "We swim"), die im Fahrwasser von Bands wie Porcupine Tree schippern oder fast schon Mitsingcharakter ("Last man on earth") haben, aber immer noch klasse sind. Oder einfach Titel, die mehrere Stilelemente vereinen ("Favorite day of the year", "I always knew"). Auf der anderen Seite stehen gut gemeinte Nummern, denen es aber an Biss fehlt ("I destiny", "Comet", "Sarah Lynn"). Ein weiterer Pluspunkt ist die ausgewogene Produktion, gute Melodien, die angenehm, sympathische Stimme von John Sahagian und auf den Punkt gebrachte Arrangements - nicht zu überladen und keineswegs zu belanglos. Relayer gehen konsequent ihren eigenen Weg und liefern ein intelligentes Album ab, welches die Brücke zwischen neu und alt schlägt. Gut gemacht und für die bisherigen Fans nach dem langen Warten ein willkommenes Weihnachtsgeschenk. Wenn letztendlich die oben erwähnten kleinen Schwächen ausgemerzt werden, geht es mit den Amerikaner noch steiler bergauf.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1999