CD Kritik Progressive Newsletter Nr.28 (12/1999)

Paranoise - Private power
(65:13, Ancient Records, 1999)

Dem durchschnittlichen Amerikaner geht landläufig der Ruf voraus, alles was aus seinem Land kommt für das Beste der Welt zu halten. Und aus rein politisch-ökonomischer Sicht haben die Vereinigten Staaten den Rest der Welt ganz gut im Griff. Doch durch den amerikanischen "Way of life" und seine blinde Übernahme in die eigene Kultur gehen vor allem in der dritten Welt immer mehr die eigenen Wurzeln verloren. Keine Angst, ich bin jetzt nicht auf dem Philosophen-Trip, mit dieser Einleitung sollten nur die Absichten der CD von Paranoise's "Private power" erläutert werden. Denn diese Band geht den anderen Weg und nimmt die Wurzeln der dritten Welt auf, um aus ihnen musikalisch etwas neues, einzigartiges entstehen zu lassen. Und dabei handelt es sich nicht um die manchmal recht dröge, sogenannte "World Music", bei Paranoise kracht es ziemlich kräftig. Sounds und Gesänge aus Afrika und Musik aus dem mittleren Osten wurde gesampelt und mit gitarrendominiertem, leicht angegrungten Progressive / Hard Rock perfekt gemischt. Mal klingt's wie frühe King Crimson auf der Wanderschaft durch den Bazar, dann drängen sich Vergleiche zu der besonders im amerikanischen Mainstream bekannten Dave Matthews Band (kleiner Tipp, für all diejenigen die auf wirklich anspruchsvolle Rockmusik stehen) auf oder die Klänge verlieren sich irgendwo im Orient, ohne die westlichen Pfade zu weit zu verlassen. Zwar bekommen auch Didgeridoo, Harmonium oder eine marokkanische Gesangsgruppe ihr Recht, aber über allem dominieren Gitarre und Violine. Der Rhythmus nimmt dagegen keine so verschlungenen Pfade, sondern kommt sehr oft mit nur reinem treiben Beat zu Recht, was den rituellen Geist der Musik zu Gute kommt. Wie bei einem Schrei nach Freiheit liegt über allem ein trauriger, melancholischer Touch. Dieser Scheibe gelingt auf äußerst interessante Weise der Brückenschlag der Kulturen. Der Begriff progressiv wird hier in seiner wörtlichen Übersetzung präsentiert, in die Stilschublade Progressive Rock verliert es sich im Grenzbereich - trotzdem sehr interessant, hörenswert und innovativ.

Kristian Selm

Kontakt: Jim Matus, 555 Asylum Avenue #402, Hatfrod CT 06105

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