CD Kritik Progressive Newsletter Nr.28 (12/1999)
Evergrey - Solitude + dominance + tragedy
(43:28, Hall Of Sermon, 1999)
Bereits mit den ersten Akkorden hauen die schwedischen Evergrey jedes musikalisches Weichei in die Flucht. Hart, aber herzlich heißt die Devise oder um es mit den Worten der Plattenfirma etwas zurückhaltender zu sagen: "Evergrey laden den Hörer zu einer Reise durch die dunklen, intensiven und gefühlvollen Seiten des Progressiv-Powermetals ein..." Doch "Solitude + dominance + tragedy" kocht nicht nur die üblichen Klischees einfach lauwarm auf. Es gibt mehrere Gründe, dass diese Scheibe nicht einfach nur eine der wiederholbaren Knallschoten aus der Heavy Prog Ecke ist. Zum einen wird die Musik instrumental durch z.B. Violine angereichert, die Melodien sind zum einen heavy, aber gleichzeitig sehr melodisch, bombastisch und ihrer Intensität mitreißend. Zwar haben die Sechssaiter eindeutig das Sagen und auch das Schlagzeug wütet mit schneller Frequenz, doch immer wieder bleibt Raum für Ruhe. Dazu bekommen die Keyboards nicht nur die Eckenrolle als untermalender Stimmungsträger verpasst, denn mal sind es sachte Pianotöne, dann wird wieder voluminös die elektronische Breitseite ausgeteilt. Der gierige, dunkle Gesang kommt zwar eindeutig aus der Metalschiene, aber wer braucht schon schönen Töne, bei solch druckvoller Untermalung? Das schwedischen Quartett platziert sich mit diesem Album im Vorderfeld der progressiven Wüteriche. Nicht schnelle Breaks und Rhythmuswechsel sind die Stärke von Evergrey: sie sind heavy, bleiben aber dennoch powervoll melodisch, wirken auf den ersten Eindruck traditionell, nehmen aber dennoch aktuelle Strömungen auf. Keine leicht verdauliche Mainstreamkost, aber auch kein abgehobener Kunstrock.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1999