CD Kritik Progressive Newsletter Nr.25 (05/1999)
Porcupine Tree - Stupid dream
(60:02, Snapper Music, 1999)
Jetzt haben sie es endlich geschafft. Porcupine Trees fünftes Studioalbum "Stupid dream" ist bei intensiver Suche auch endlich im normalen Plattenladen erhältlich. Ob sie aber dadurch bekannter werden, darf einigermaßen bezweifelt, denn wer kauft sich schon eine CD alleine wegen seines echt interessanten Artworks oder des künstlerisch wertvollen Booklets (von Bill Smith, der u.a. auch das Cover von Marillions "Brave" entwarf), wenn er noch nie etwas über diese Band gehört hat? Oder soll der unterschwellige Britpop Einfluss in ihrer melodischen Space Rock bzw. vielschichtigen Rock Melange für nötiges Airplay sorgen, um somit an die breite Öffentlichkeit zu gelangen? Irgendwie das letzte Vorurteil immer im Hinterkopf, ist der erste Höreindruck von "Stupid dream" zumindest bei den ersten Nummern etwas enttäuschend. Hatte Steven Wilson schon immer ein Gespür für gefangennehmende Melodien, die aber geschickt in atmosphärische, dichte Arrangements verpackt wurden, so erscheinen die Melodien diesmal zwar gut wie immer, aber die Ummantelung wirkt auf den ersten Eindruck noch recht leblos und steril. Doch dieser Eindruck täuscht, denn erst beim genauen Hinhören offenbaren sich die wahren Qualitäten. Die zurückgenommenen Gitarrensounds agieren wesentlich aggressiver und bissiger. Den Gegenpart dazu bilden ruhige Loops und Samples und die flächenbildenden Keyboards von Richard Barbieri. Aber wie schon der Vorgänger "Signify" ist auch "Stupid dream" nichts zum oberflächigen Nebenbeianhören, obwohl es sicherlich Porcupine Trees eingängigstes Album ist. Der Opener "Even less" beginnt recht sphärisch, der Mittelteil wird durch harte Riffs geprägt, bevor zum Schluß ein floydsches Gitarrensolo folgt. Doch leider sind die gefühlvollen, wie auch mitreißenden Soli Mangelware, "Stupid dream" wird vielmehr von den Songschreiberqualitäten Wilsons getragen. Das klingt bei "This is no rehearsal" oder "Stranger by the minute" deutlich nach Britpop, bei "Pure narcotic" nach beschwingter Melancholie. "Don't hate me" deckt mit über 8 ½ Minuten die andere Seite der Skala ab und bietet genügend Zeit zur Entfaltung. Es wird zu einem Ausflug in leicht orientalisch angejazzte Gefilde, Flöte und Saxophon sorgen für Tiefgang, ein traumhaftes Solo wiederum an der Gitarre beschließt den Song. Beim Instrumental "Tinto Brass" kommt abgespactes, echtes Ozric Tentacles Feeling auf. Doch trotz einiger neuen musikalischen Einfälle und moderner Sounds bewahren Porcupine Tree ihren eigenen Stil, eine Mischung aus sehr viel Atmosphäre und zerbrechlichen, wunderbaren Melodien. Führt man den vielleicht den etwas unfairen Vergleich mit der letzten Marillion Scheibe "Radiation" durch, so sind Porcupine Tree ihnen haushoch überlegen und zeigen, wie man moderne Musik interessant gestalten kann. "Stupid dream" ist eine hörbare Weiterentwicklung, die vielleicht nicht alle Fans mitgehen werden oder mögen - eine klasse Album ist es aber zweifelsohne.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1999