CD Kritik Progressive Newsletter Nr.25 (05/1999)
Lacrimosa - Elodia
(57:59, Hall Of Sermon, 1999)
Nach dem Einstieg der Single "Alleine zu zweit" auf Platz 52 der deutschen Singlecharts, legen Lacrimosa das dazugehörige Album "Elodia" nach, eine Rockoper in drei Akten. Tilo Wolff und Anne Nurmi haben ihr sechstes Studioalbum der griechischen Mythologie nachempfundenen Halbgöttin Elodia gewidmet, die als Herrin über Liebe und Tod die Geschichte einer zum Scheitern verurteilten Liebe erzählt. Die Geschichte gipfelt in der Frage, ob ein Übermaß an Liebe zur selbstzerrstörerischen Kraft werden kann, ob zuviel Liebe tötet. Um diese tiefgründige Frage farbenprächtig umzusetzen, wurde bei der Produktion nicht gekleckert, sondern geklotzt. Während 14 Monaten arbeiteten insgesamt 187 Musiker (diverse Chöre, London Symphony Orchestra) an der Entstehung des Konzeptwerkes mit. Besonders durch die Mitwirkung eines kompletten Orchesters bekommt das Werk einen sehr klassischen Anstrich. Harte Gitarren, druckvolles Schlagzeug, sowie die zerbrechlichen, fordernden Stimmen der beiden Hauptdarsteller stehen im Wettstreit mit dem orchestralen Breitwandsound, trauriger Pianobegleitung in geradezu intimer Atmosphäre. Die Achterbahnfahrt der Gefühle wird durch die entsprechenden Möglichkeiten der Musik mal exzessiv (gipfelnd in euphorischen Gitarrensoli z.B. bei "Ich verlasse heut dein Herz") oder rotzig rockend ("Dich zu töten fiel mir schwer"), dann wieder sehr emotional, fast schon spartanisch umgesetzt. Besonders den Streichern wurden weite Räume zur Entfaltung eingeräumt, bei der achtminütigen Ouvertüre "Am Ende der Stille" haben sie fast alleine das Sagen. Die textliche Aussage steht aber dennoch immer Vordergrund. Der Versuch "Gothic meets classical music" kann als wirklich gelungen bezeichnet werden. Die düsteren Wege der Seele bekommen durch dieses Album einen wunderbaren klassischen Anstrich voller Tiefgang. Weiß geschminkt und schwarz gekleidet - Verzweiflung und Selbstzerstörung waren selten so schön traurig.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1999