CD Kritik Progressive Newsletter Nr.24 (03/1999)
Perfume De Mujer - Pollos d'Granja
(75:07, Luna Negra, 1998)
Warum sich denn auf einen Stil konzentrieren, wenn man im Zeitalter der CD doch auf über sagenhafte 70 Minuten so richtig die Sau rauslassen kann? So etwas dachten sich wohl auch die aus Kuba stammenden Perfume De Mujer und bedienen sich auf "Pollos d'Granja" aus dem reichhaltigen Musikfundus der letzten Jahrzehnte. Los geht's mit "Pio Tai", so richtig schön schräg, voll Dissonanzen und ohne den Hauch einer nachvollziehbaren Melodie, der Herzinfarkt der Schwiegermutter ist vorprogrammiert. Kurz vorm totalen Herzstillstand hat das wilde Durcheinander ein jähes Ende, um mit dem fetzigen "Liborio" kernigen Funk / Jazz Rock folgen zu lassen. Doch auch hier lassen Perfume De Mujer das experimentieren nicht, im Mittelteil geht es wieder avantgardistisch zur Sache, immerhin gibt es diesmal wesentlich mehr Melodieanteil. Bei "Revòlver" kämpfen Geige und Keyboards in großer Abwechslung um die Vormachtstellung, hier kriegt die expressive Mischung zusätzlich noch etwas Progressive Rock ab. Wirklich klasse! Leider ist der ab und zu auftretende kränkelnd erscheinende Gesang mit zu viel Hall versehen und schwebt so recht diffus im Raum. Macht nichts, die Musik ist dafür erste Sahne, obwohl der Klang im Gesamteindruck doch etwas flach und verschwommen ist und den Höreindruck erheblich trübt. Dass es auch ruhiger geht, zeigt zu Beginn das 8-minütige "Morrison Hotel". Leichter Latin Touch und subversives Gegeige macht diese Art Fusionmusik so richtig nett. Das Ende mündet in einem orgiastischen, bombastischen Gitarrensolo, da wackeln die Membrane. Die Kehrseite des zweifelhaften Geschmacks wird mit "Fiemas" betreten, was doch erheblich schmalzt und zu balladesk zäh vor sich hinkriecht. Die Entschädigung folgt sofort. Der instrumentale Jazz Rock Kracher "Sinfonía, mujeres y dinero" versöhnt doch wieder. Und so fließen in einem die wunderbaren schrägen Klänge von der kommunistischen Karibikinsel fort. Mal abgedreht, selten belanglos, aber immer wieder mitreißend im Stil an Deus Ex Machina meets King Crimson erinnernd. Wäre doch bloß die Produktion etwas besser, denn so verlieren die mit viel Substanz und Musikalität versehenen Lieder einiges an Hörfreude. Rettet also Kuba und gibt diesen Musikern mehr Geld, denn diese Musik macht mehr Hoffnung, als die Versprechen des senilen Fidel Castros.
Kristian Selm
Kontakt: Luna Negra, Apartado Postal 27, C.P. 76800, San Juan Del Rio, Querétaro, Mexiko, email: lunanegr@ sjr.podernet.com.mx
© Progressive Newsletter 1999